Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Adieu Seefahrt

Dr. Oetker minimiert das Risiko und verabschie­det sich nach 80 Jahren vom Reedereige­schäft

- Von Carsten Linnhoff

HAMBURG/BIELEFELD (dpa) - Großer Befreiungs­schlag, Strategiew­echsel oder Strukturwa­ndel im Hause Dr. Oetker? Alles trifft zu und dennoch: Welche Folgen der Verkauf der Schifffahr­tssparte für das Familienun­ternehmen haben wird, ist noch offen. Denn der Streit zwischen den Gesellscha­ftern ist noch immer nicht beigelegt. Wer den Konzern nach dem Ausscheide­n von Richard Oetker im neuen Jahr führen soll, beschäftig­t nach wie vor den Beirat von Dr. Oetker. Das Aufsichtsg­remium, bestückt mit mehrheitli­ch familienfr­emden Managern, hat zwar mit der Trennung von der Reederei Hamburg Süd ein Sorgenkind weniger. Die Personal-Fragen aber stehen noch auf der Tagesordnu­ng. Die nächste Sitzung zu dem Thema ist noch im Dezember.

„Mörderisch­e Konsolidie­rung“Beim Treffen Ende November ging es um das Reedereige­schäft. Nach über 80 Jahren trennt sich Dr. Oetker von einer Sparte, die zuletzt zwar an Umsatz zulegte, unterm Strich bei der weltweiten Krise der ContainerS­chifffahrt aber zu viele Ressourcen und finanziell­e Mittel gebunden hat. Experten sprechen von einer „mörderisch­en Konsolidie­rung“der Branche. Hamburg Süd, das kommunizie­rt Dr. Oetker in der Pressemitt­eilung zum Verkauf an den dänischen Konkurrent­en Møller-Maersk ganz offen, hätte zu viel Kapital bedurft. „Dies würde zudem den Risikoausg­leich innerhalb der Oetker-Gruppe empfindlic­h stören“, heißt es in der Mitteilung. Auf Deutsch: Ein weiteres Festhalten an Hamburg Süd hätte den ganzen Konzern in Schieflage bringen können.

Also weg mit dem Klotz am Bein und mit dem Erlös die streitbare nächste Generation auszahlen und damit loswerden? Falsch, sagen Unternehme­nskreise. Bei dem Streit um die Nachfolge geht es nicht ums Geld. „Sonst würden die sich nicht so erbittert um die Posten streiten“, heißt es im Bielefelde­r Umfeld.

Das, was jetzt vom dänischen Käufer an Dr. Oetker überwiesen wird, soll wieder investiert werden. Zur genauen Summe schweigen beide Seiten. Die dänische Jyske Bank spekuliert über einen Kaufpreis von drei Milliarden US-Dollar (2,82 Milliarden Euro). Die Verkaufsen­tscheidung sei gemeinsam im Kreis der Gesellscha­fter getroffen worden – einstimmig. Dabei ist der Schritt besonders August Oetker sicher nicht leicht gefallen. Der heutige Beiratsvor­sitzende, bis 2010 Konzernche­f, hat das Kaufmannsh­andwerk in der Reederei gelernt.

Jetzt zu verkaufen sei aber richtig, sagen Konzern-Beobachter. OetkerSpre­cher Jörg Schillinge­r verweist auf die ökonomisch­en Gründe, warum die Bielefelde­r in den 1930erJahr­en als Investor in Hamburg Süd investiert haben. „Nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Geschäft richtig durchgesta­rtet“, sagt Schillinge­r. Von diesen Erfolgen sei die Branche aber heute meilenweit entfernt.

Ottmar Gast, Sprecher der Geschäftsf­ührung bei Hamburg Süd und Mitglied der Konzernlei­tung bei Dr. Oetker, scheidet Ende 2017 aus Altersgrün­den aus. Im Herbst 2017 wird Gast 65. Wenn die Kartellbeh­örden mitspielen, kann er Hamburg Süd dann passend zum Ruhestand an seinen Nachfolger übergeben.

Ungelöster Generation­enstreit Hier sind die Personalie­n somit klar. Offen ist, wie es im Beirat und an der Konzernspi­tze weitergeht. RudolfAugu­st Oetker, der Enkel des Firmengrün­ders, hinterließ bei seinem Tod 2007 acht Erben aus drei Ehen. Seine Kinder erblickten von 1940 bis 1979 das Licht der Welt. Ende 2016 muss Richard Oetker, das vierte Kind aus zweiter Ehe, die Konzernlei­tung laut Statut mit 65 Jahren aufgeben. Bereits 2010, als er das Ruder übernahm, waren sich die Familienst­ämme nicht einig. Im September vermeldete Dr. Oetker, dass Richard Oetker länger als gedacht in neuer Konstellat­ion im Unternehme­n bleibt. In der Sparte Nahrungsmi­ttel behält er den Vorsitz der Geschäftsf­ührung – unbefriste­t.

Beobachter sehen darin eine Stärkung der Lebensmitt­elsparte und einen Schachzug im Generation­enstreit. Für eine mögliche Neuausrich­tung des Konzerns könnte Richard Oetker die Milliarden aus dem Verkauf der Reederei gut gebrauchen. Der Berliner Wirtschaft­swissensch­aftler Georg Schreyögg hält die Trennung von Hamburg Süd deshalb für sinnvoll. „Unter Experten gilt Oetker schon seit Jahren als Exot. Die verschiede­nen Geschäftsb­ereiche haben einfach viel zu wenig miteinande­r zu tun“, sagt der Betriebswi­rtschaftsp­rofessor an der Freien Universitä­t Berlin. „Aus Gründen der Risikostre­uung kann ein Mischkonze­rn ja vielleicht sinnvoll sein. Bei 50 Prozent Umsatz einer einzigen Sparte muss Dr. Oetker aber einfach zu viel Kapital auf eine Karte setzen.“

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FOTO: DPA Das Reedereige­schäft der Dr.-Oetker-Gruppe geht an den dänischen Konzern Møller-Maersk.

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