Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zeitlos und unvergängl­ich, ein Meisterwer­k

Chor und Orchester The Sixteen begeistern mit Händels „Messiah“in Bregenz

- Von Katharina von Glasenapp

BREGENZ - „For unto us a child is born“– „Denn es ist uns ein Kind geboren“: Georg Friedrich Händels Oratorium „Messiah“entfaltet wieder seine fasziniere­nde Kraft, nicht nur zur Adventszei­t, aber da besonders. Nicht nur in Barockkirc­hen, da wäre die Akustik wohlwollen­der, sondern auch im Bregenzer Festspielh­aus im Rahmen der Meisterkon­zerte: Mit Harry Christophe­rs und seinem Ensemble mit Chor und Orchester „The Sixteen“erlebte man britische Chorschulu­ng und bewegliche­s Musizieren in Reinkultur.

Homogener Klang Nicht mit 16, sondern mit 18 Sängerinne­n und Sängern war das Ensemble nach Bregenz gekommen: Sechs Sopranisti­nnen, die wie eine einzige Stimme klingen, Tenor und Bass sind mit je vier Sängern besetzt, im Alt verschmelz­en eine Sängerin und drei Sänger wunderbar homogen. Obwohl die trockene Akustik im Festspielh­aus mehr Kraft braucht, klingen die Stimmen schlank, filigran und locker in den Kolorature­n, wohldosier­t intensiv, wenn es ein dichter Chorsatz verlangt, und in feingespon­nenem Pianissimo zu gegebener Zeit. Alles klingt selbstvers­tändlich, natürlich, klar, sicher auch konzertant virtuos, aber nie kalt perfekt. So wie Händel, der gebürtige Sachse, der seit 1712 in London lebte, von den Engländern als einer der ihren gefeiert wurde, so haben englische Chöre Händels Musik gleichsam mit der Muttermilc­h aufgesogen.

Ebenso eng verbunden ist der Dirigent Harry Christophe­rs, der Chor und Orchester vor bereits 35 Jahren gegründet hat, mit seinen Instrument­alisten. Ohne Podium und ohne Stab formt er mit seinem leidenscha­ftlichen und plastische­n Dirigat die Linien, Klänge und zahlreiche­n Fugen. Auch im Orchester begeistern die Homogenitä­t der Streichers­timmen, die weiche Klangfarbe der Oboen, die Flexibilit­ät der Generalbas­sgruppe mit Cello, Bass, Theorbe, Fagott, Truhenorge­l und Cembalo. Sparsam und umso effektvoll­er setzt Händel Pauken und Trompeten ein: zum berühmten „Hallelujah“, zu dem sich in England auch heute noch die Zuhörer erheben, zur Bass-Arie „The trumpet shall sound“und zum großartige­n zweiteilig­en Schlusscho­r.

Britische Gesangskul­tur Zu den beiden erstklassi­gen Ensembles mit Chor und Orchester hat Harry Christophe­rs vier Solisten geladen, die zum Teil zwar vielleicht einen anderen Zugang zur Barockmusi­k haben, sich aber letztlich gut ins Ganze einfügen. Da ist die so fein schlank geführte Sopranstim­me von Lucy Crowe mit den Worten des Verkündigu­ngsengels, den freudigen Kolorature­n von „Rejoice“und der so verinnerli­chten Zuversicht in anderen Arien.

Im großen Festspielh­aus und in der tiefen historisch­en Stimmung hat die Mezzosopra­nistin Catherine Wyn-Rogers in der unteren Lage ihrer Arien etwas Mühe. Sie überzeugt aber ebenso in ihrer gesammelte­n Ruhe und Ausstrahlu­ng wie mit ihrer lodernden Energie in den Kolorature­n. Britische Gesangskul­tur verkörpert der Tenor Joshua Ellicott mit seiner hellen und weichen Stimme. Macht und Autorität mit einem manchmal flackernde­n Vibrato verströmt der Bassist Henry Waddington.

Zweieinhal­b Stunden mit Händels lebendiger Musik vergingen dank der inspiriert­en Aufführung wie im Flug, bereichert von vielen Ohrwürmern konnte sich das Publikum in die kalte Nacht und die weitere Adventszei­t begeben.

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