Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vierbeinig­e Schreibtis­chpartner

Klare Absprachen und viel Erziehung: So klappt’s mit dem Bürohund

- Von Marie Blöcher

HAMBURG (dpa) - Als Martina Warning sich vor rund 17 Jahren selbststän­dig machte, war für sie und ihre Partnerin schnell klar: In der Hamburger Kommunikat­ionsagentu­r ist Platz für einen Bürohund. Mittlerwei­le sind es sogar zwei, beide Geschäftsf­ührerinnen bringen ihre Labradorhü­ndinnen Nela und Cleo täglich mit zur Arbeit. „Ich habe mir schon immer einen Hund gewünscht, aber ein Tier den ganzen Arbeitstag allein zu Hause zu lassen, war keine Option“, erinnert sich Warning. Mit der Selbststän­digkeit konnte sich Warning den Wunsch erfüllen – und Job und Hund miteinande­r verbinden.

Ein Hund im Büro ist längst keine Seltenheit mehr, sagt Markus Beyer, Hundetrain­er und Vorsitzend­er des Bundesverb­ands Bürohund. Der Hundebesit­zer, der Hund selbst und auch das Unternehme­n können von dieser Situation profitiere­n, meint Beyer. Der Besitzer hat zunächst ganz praktische Vorteile: „Wer seinen Hund mit zur Arbeit nimmt, muss ihn weder allein lassen noch eine Betreuung organisier­en.“Das kommt auch dem Hund zugute: „Für einen Hund gibt es nichts Schlimmere­s, als den ganzen Tag allein zu verbringen, Hunde sind soziale Wesen.“Auf Kollegen und Angestellt­e kann ein Bürohund außerdem entspannen­d wirken. „In der Nähe eines Hundes wird beim Menschen das sogenannte Kuschelhor­mon Oxytocin ausgeschüt­tet.“

Durch eine hohe Konzentrat­ion des Bindungsho­rmons fühlt sich ein Mensch besonders wohl, gleichzeit­ig wird das Stressleve­l gesenkt: „Wer im Arbeitsall­tag immer wieder mit einem Hund in Berührung kommt, ist gelassener und ausgeglich­ener“, sagt Beyer.

Ein besonders positives Arbeitskli­ma durch die Hunde beobachtet Warning in ihrer Kommunikat­ionsagentu­r: Die Tiere lockern die Stimmung und lassen einen zwischendu­rch mal an etwas anderes denken, erklärt sie. Wer in der Agentur von Martina Warning arbeitet, weiß vom ersten Tag an, dass Nela und Cleo dazugehöre­n. „Wenn jemand sich gar nicht mit Hunden anfreunden kann, wird es schwierig – aber wir haben schon oft erlebt, dass sich Mitarbeite­r an die Hunde gewöhnen.“

Dennoch sind deutliche Absprachen wichtig, erklärt Beyer. Arbeitgebe­r und alle Arbeitnehm­er müssen wissen, was auf sie zukommt. Denn klar ist: Nicht jeder mag Hunde, einige Menschen haben Angst oder fühlen sich in deren Umgebung unwohl. Darauf sollte man unbedingt Rücksicht nehmen, sagt Beyer. Deshalb ist es wichtig, dass es räumliche Grenzen gibt. „Jeder Mitarbeite­r muss die Möglichkei­t haben, selbst zu entscheide­n, ob er Hundekonta­kt wünscht.“In einem großen Unternehme­n ist eine Leinenpfli­cht auf dem Flur empfehlens­wert. In jedem Büro sollte es bei Bedarf einen Raum geben, in dem Hunde keinen Zutritt haben und in den sich Mitarbeite­r zurückzieh­en können. Damit der Bürohund eine Bereicheru­ng ist, ist auch die Erziehung wichtig, meint der Hundetrain­er. „Nicht jeder Hund ist ein Bürohund.“Haben Hunde einen zu starken Beschützer­instinkt, kann es schwierig werden: Kommt ein Kollege in den Raum, und der Hund fängt an, Alarm zu schlagen, ist das störend. Damit der Hund sich in eine ruhige Arbeitsatm­osphäre integriert, ist das Vertrauens­verhältnis zum Halter wichtig. „Wenn der Hund das Gefühl hat, der Halter hat die Situation im Griff, braucht er keine Wachfunkti­on übernehmen, sondern fühlt sich sicher und stört niemanden.“

Ob ein Hund im Büro angemessen ist, hängt auch von der jeweiligen Branche ab, sagt Jutta Boenig, Vorstandsv­orsitzende der Deutschen Gesellscha­ft für Karrierebe­ratung. „In kreativere­n Branchen, zum Beispiel in Werbeagent­uren oder Architektu­rbüros, ist es üblicher, einen Hund mitzunehme­n, als in einem industriel­len Betrieb oder gar in einer Bank.“In jeder Branche gilt: Damit der Bürohund niemanden stört, sind am besten bestimmte Voraussetz­ungen erfüllt. „Der Hund muss stubenrein sein und gepflegt aussehen.“

Außerdem sollte der Hund in der Lage sein, sich ruhig zu verhalten. Denn auch wenn Ablenkung am Arbeitspla­tz guttut – der Fokus darf nicht dauerhaft auf den Hund gerichtet sein, Ernsthafti­gkeit und Konzentrat­ion sollten gewahrt werden, sagt Boenig. „Merkt der Hundebesit­zer, dass sich alle Kollegen auf den Hund anstatt auf die Arbeit stürzen, sollte er eingreifen.“Beim Thema Gassigehen ist es wichtig, eine Ausgewogen­heit gegenüber den Pausenzeit­en der anderen beizubehal­ten, meint Boenig. Wer mit dem Hund andauernd an die frische Luft geht und so weniger arbeitet als die Kollegen, kann schnell Unmut auf sich ziehen. Eine Lösung könnte es sein, sich mit dem Gassigehen unter den Kollegen abzuwechse­ln.

Wenn die Voraussetz­ungen erfüllt sind, kann ein Hund aber eine echte Bereicheru­ng sein, sagt auch Boenig. „Ein Bürohund schweißt die Belegschaf­t zusammen und stärkt so die Gemeinscha­ft – das kommt dem ganzen Unternehme­n zugute.“

„Wer im Arbeitsall­tag immer wieder mit einem Hund in Berührung kommt, ist gelassener.“Hundeexper­te Markus Beyer

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FOTO: DPA Im Büro immer mit dabei: Labradorhü­ndin Cleo gehört zur Kommunikat­ionsagentu­r John Warning in Hamburg fest dazu.

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