Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Präsident der Mitte
Alexander Van der Bellen kündigt bei Erfolg ein konservatives Amtsverständnis an
Persönliche Angriffe haben Alexander Van der Bellen von Anfang an begleitet, zuletzt wurden sie immer gehässiger. Die Bedächtigkeit, die langsame Redeweise und spärliche Körpersprache des 72jährigen Ex-Grünenchefs wurde ihm absichtlich als Phlegma angekreidet. Und das rechte Lager seines Gegenkandidaten Norbert Hofer diffamierte ihn sowohl als Kommunisten als auch als Spross einer Nazi-Familie.
Ja, er habe als Student einmal „aus Protest“die Kommunisten gewählt, räumte Van der Bellen gelassen ein. Auch was jüngst die Ex-ÖVP-Stadträtin Ursula Stenzel in einer TVRunde von sich gab, hat seine Anhänger mehr erzürnt als ihn selbst: Da raunte die 71-jährige Hofer-Sympathisantin, ohne Quellen vorzulegen, etwas von „Vermutungen“, dass Van der Bellens Eltern „zumindest geliebäugelt haben mit den Nazis“. Van der Bellens Vater war Russe, seine Mutter Estin. Beide waren 1940 vor dem stalinistischen Terrorregime über Deutschland nach Wien geflohen und hatten sich im Tiroler Kaunertal niedergelassen. Dort wurde „Sascha“1944 geboren, dort wuchs er auch auf. Der Familie deshalb NaziNähe zu unterstellen, wurde Stenzel als infam angekreidet: Sie selbst hatte sich, vor der endgültigen Nominierung Hofers, im Frühjahr von der FPÖ zur Spitzenkandidatin küren lassen – von jener Partei, die sich bis heute nicht klar vom Nationalsozialismus distanziert.
Mit seinem eher konservativen Amtsverständnis garantiert Van der Bellen Kontinuität in der Wiener Hofburg. In Anspielung auf seinen polarisierenden Herausforderer Hofer, der ein „starker Präsident“sein will, will Van der Bellen ein „Präsident der Mitte“sein.
Den globalen Freihandel (TTIP) lehnt der studierte Ökonom, im Gegensatz zu seinen grünen Parteifreunden, nicht von vornherein ab. Hofer attackierte er scharf als Befürworter eines „Öxit“. Selbst den von den Rechten besetzten Begriff „Heimat“scheute der Intellektuelle in der Wahlwerbung nicht und lieferte dafür auch eine überzeugende Begründung: „Weil mir Österreich als Kind von Flüchtlingen eine Heimat geschenkt hat.“