Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Richtung null oder darunter“
Professor Alexander Eisenkopf bezweifelt Wirtschaftlichkeit von Dobrindts Mautmodell
BERLIN - Ein Nullsummenspiel befürchtet Professor Alexander Eisenkopf bei der neuen Maut: „Durch die Entlastung, die wir für die sehr sauberen Fahrzeuge nach Euro 6 bekommen sollen, werden wir noch stärker in Richtung der Null oder darunter rutschen.“Sabine Lennartz sprach mit ihm.
Herr Prof. Eisenkopf, Sie haben 2015 als Sachverständiger im Haushaltsausschuss die Einnahmen der Maut begutachtet und vor einem Nullsummenspiel gewarnt. Bleiben Sie bei Ihrer Warnung? Ich bleibe dabei. Ich würde sogar sagen, dass die Situation noch kritischer ist. Durch die Entlastung, die wir für die sehr sauberen Fahrzeuge nach Euro 6 bekommen sollen, werden wir noch stärker in Richtung der Null oder darunter rutschen.
Sie haben damals die Einnahmen der Maut auf 350 Millionen Euro geschätzt, jetzt sollen sie 500 Millionen betragen. Wie kann das sein? Die 500 Millionen waren auch damals schon die Zahl des Ministers. Damals war schon strittig, wie viele Vignetten von Ausländern gekauft werden. Sowohl von mir als auch von anderen Experten gab es erhebliche Zweifel an dieser Kalkulation. Es werden vom Minister zu viele Vignettenkäufe unterstellt.
Können Sie erklären, wie Minister Dobrindt weiterhin mit 500 Millionen Einnahmen unter dem Strich rechnet, obwohl die Maut gesenkt werden soll? Das kann ich auch nicht erklären, das ist das Geheimnis seiner Politik. Er argumentiert, es würden in Zukunft mehr Fahrzeuge aus dem Ausland einfahren. Das berücksichtigt nicht, dass die Leute auf die Maut reagieren werden. Dobrindt rechnet außerdem damit, dass viele ausländische Autofahrer die teure 20-Euro-Vignette kaufen müssen, was aber nicht weiter belegt wird. Das Ganze ist eine Milchmädchenrechnung.
Sehen Sie die Gefahr, dass auch deutsche Autofahrer künftig mehr zahlen? Die Gefahr besteht. Da muss man einen Zusammenhang zu der geplannur ten Infrastrukturgesellschaft herstellen. Wenn man dieser, wie bereits diskutiert wird, die Schulden zuweist, die auf das Straßennetz entfallen, könnte am Ende des Tages schon die Idee kommen: Wir müssen eine Maut für alle haben. Das Versprechen, dass kein deutscher Autofahrer höher belastet wird, gilt ja für diese Legislaturperiode. Dann wird neu verhandelt.
Glauben Sie , dass die Maut noch in dieser Legislaturperiode kommt? Nein, das glaube ich nicht. Sie brauchen ja eine Ausschreibung für die Betreiber. und dann stellt sich noch die Frage, wie die Nachbarländer reagieren. Die haben Klagen angedroht. Ja, gebellt wird bereits, ob gebissen wird, ist noch unklar. Die Österreicher sind hier besonders empfindlich.
Abgesehen von Dobrindts Plänen – Halten Sie eine Maut für sinnvoll? Ich bin seit Jahr und Tag ein Befürworter einer Maut, die alle durch einen bestimmten pauschalen Betrag belastet. Das wäre einfach umzusetzen und finanziell ergiebig. Wenn man im Schnitt 70 Euro pro Fahrzeug nimmt, hätten wir rund vier Milliarden Euro im Jahr. Wenn diese vier Milliarden dann in der Infrastruktur landen, sind die Leute auch bereit, das zu zahlen. Selbst der ADAC ist hier mittlerweile milde gestimmt. Mit der Nutzerfinanzierung könnten wir das Straßenwesen viel besser aufstellen.
Soll die Maut dann für alle gleich hoch sein, egal wie viel sie fahren? Ja. Wir haben jetzt den Popanz der extrem gestaffelten Mautgebühren. Das macht keinen Sinn. Man sollte die Autofahrer im Schnitt mit 70 Euro belasten. Die Erhebungskosten sind dann sehr gering und es gibt eine stabile Lösung, wie sie in der Schweiz und Österreich seit Jahren praktiziert wird. Wir haben ja bereits die Lkw-Maut mit rund 4,4 Milliarden Einnahmen. Wenn die PkwMaut hinzukäme, könnten wir in Zukunft daraus Erhaltung und Ausbau der Infrastruktur der Straßen finanzieren.
Wenn die Maut nun in dieser Legislaturperiode nicht kommt, was raten Sie dann einer neuen Bundesregierung? Dass sie einen neuen Anlauf nimmt und sagt: Wir gehen von der alten Scheuklappenideologie weg. Wir machen einen Kassensturz und argumentieren ehrlich. Wir führen die Maut für alle ein. Aber es ist die Frage, ob der Mut dazu da ist.