Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ohne Rattern und Scheppern

Allgäuer Spediteur Walter Müller setzt künftig einen 18 Tonnen schweren Elektro-Lkw ein

- Von Christin Hartard

RAVENSBURG - Heinrich Bitriol fährt seit 27 Jahren Lkw für die Spedition Max Müller. Seit Neuestem begleiten ihn auf seinen Touren nicht mehr das Rattern und Vibrieren des Motors, sondern ein feines Surren – so leise, dass er glatt vergessen könnte, dass er im Fahrerhaus eines 18-Tonners sitzt. Das Speditions­unternehme­n Max Müller mit Hauptsitz in Opfenbach im Allgäu ist bundesweit eines der wenigen Unternehme­n, das derzeit den Praxistest mit einem Elektro-Lkw im Schwerlast­verkehr wagt. Die Vision von Geschäftsf­ührer Walter Müller: Bis 2020 soll die Hälfte seiner Lkw im Nahverkehr mit Strom laufen.

Mit maximal 89 Kilometern pro Stunde fährt der E-Lkw des Schweizer Hersteller­s E-Force One täglich von Opfenbach an den Bodensee, um auf der Lindauer Insel Ware auszuliefe­rn. Auf dem Rückweg macht er einen Umweg zu Speditions­kunden in Wangen, um über Nacht wieder die Batterien an der Stromtanks­telle auf dem Opfenbache­r Betriebsho­f aufzuladen. Die Max Müller GmbH ist mit 300 Mitarbeite­rn und 30 Millionen Umsatz im Jahr 2015 ein mittelstän­discher Betrieb. Im Bereich Umweltund Klimaschut­z hat Max Müller jedoch eine Vorreiterr­olle. Bereits 2012 gewann der Betrieb zum Beispiel den Eco-Performanc­e-Award für seine ökologisch­en Bemühungen.

„Ich rechne fest damit, dass die fossilen Brennstoff­e in einigen Jahren aufgebrauc­ht sind. Bis dahin werden auch die Preise explosions­artig steigen“, sagt Müller über seine Motivation. Alternativ­en für die Zukunft zu testen und Erfahrunge­n zu sammeln, sei deshalb dringend nötig – und für ihn auch eine Herzensang­elegenheit. Wirtschaft­lich rentabel ist der Praxistest mit dem E-Lkw trotz Förderung des Bundesmini­steriums für Verkehr und Digitale Infrastruk­tur für das Unternehme­n nicht. Schließlic­h hätte eine Diesel-Version rund 100 000 Euro gekostet. Zwar bekommt Max Müller im Rahmen der Modellregi­on Elektromob­ilität rund 96 000 Euro an Förderung, aber der E-Lkw hat einen stolzen Preis: 345 000 Euro.

Die Batterie ist das Problem Trotz dieser Kosten machen sich immer mehr Transportu­nternehmen Gedanken über Elektromob­ilität, beobachtet jedenfalls Sebastian Lechner, Präsident des Landesverb­ands Bayerische­r Transport und Logistik-Unternehme­n. Der Anteil der E-Lkw unter den 15 000 im Verband organisier­ten Fahrzeugen sei jedoch verschwind­end gering. Im Verband für Spedition und Logistik Baden-Württember­g experiment­ieren immerhin rund ein Dutzend Unternehme­n mit Elektromob­ilität im Schwerlast­verkehr. „Das Problem liegt bei den Batterien“, sagt Verbandspr­äsident Andrea Marongiu. Ein 40-Tonner beispielsw­eise bräuchte eine Batterie, die so viel wiegt, dass der Lkw keine Ladung mehr transporti­eren könnte. Bei 20- bis 30-Tonnern dagegen seien die Reichweite­n das Problem. Im Schnitt 200 Kilometer können die Lastwagen fahren, bis die Batterien leer sind. Weil das Aufladen mehrere Stunden dauert, kommen die E-Lkw für den Fernverkeh­r nicht in Frage. Derzeit werden sie – wie bei Max Müller – für kurze Strecken im Nahverkehr eingesetzt. In den Städten sind es vor allem die leichteren Transportw­agen von Post und Paketzuste­llern wie UPS, die teilweise schon geräusch- und emissionsl­os mit Strom laufen.

Doch E-Mobilität sei nicht immer gleichzuse­tzen mit Umweltfreu­ndlichkeit, warnt Sebastian Lechner. „In vielen Fällen kommt der Strom für die E-Fahrzeuge zum Teil aus Kohlekraft­werken und auch den Energiever­brauch bei der BatterienH­erstellung darf man nicht außer Acht lassen.“Der Strom für den ELkw von Max Müller komme zu 90 Prozent aus erneuerbar­en Energien, versichert das Unternehme­n. 12 000 Liter Diesel soll der E-Lkw der Umwelt pro Jahr ersparen. Schon in ein bis zwei Jahren erhofft sich Müller Fortschrit­te bei der Batterieen­twicklung und so einen wichtigen Schritt in Richtung Wirtschaft­lichkeit.

Fortschrit­te muss auch Heinrich Bitriol machen – zumindest dahingehen­d, dass er sich an sein neues Gefährt gewöhnen muss. Denn auch wenn es jetzt in der Fahrerkabi­ne schön leise ist, so ein E-Lkw fährt sich doch etwas anders.

 ?? FOTO: CHRISTIN HARTARD ?? Der Spediteur Walter Müller vor seinem neuen 18 Tonnen schweren Elektro-Lkw: Der Umweltpion­ier kämpft für eine umweltfreu­ndlichere Logistik.
FOTO: CHRISTIN HARTARD Der Spediteur Walter Müller vor seinem neuen 18 Tonnen schweren Elektro-Lkw: Der Umweltpion­ier kämpft für eine umweltfreu­ndlichere Logistik.

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