Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Warnung für Männerbäuche
Keiner verkauft in Deutschland mehr Hemden als die schwäbische Firma Olymp – nicht zuletzt wegen der superschmalen Schnitte
RAVENSBURG - Wer in „No 6“passen möchte, muss sich das Törtchen zum Kaffee verkneifen. Schmale Kost ist angesagt, denn dieses Hemd umschließt nur ebensolche Taillen, die sich zudem nach oben hin verbreitern zu einer kräftigen Brust. Spätestens mit dieser neuen Kreation aus dem Hause Olymp sind Schlankheitsdiktat und Körperkult auch in der Business-Welt der Männer angekommen.
Einen Körper, Adonis, dem Gott der Schönheit gleich, braucht es, um das Oberhemd zu tragen. Das passt, schließlich ist die Marke ja auch nach dem Sitz der griechischen Götter benannt. Olymp-Chef Mark Bezner trägt es selbst. Was den 53-Jährigen besonders freut: Er ist nicht der Einzige. „Das neue Hemd hat eingeschlagen! Wir können uns vor Aufträgen kaum retten“, sagt der Firmenlenker. „Unsere Kunden legen Wert auf Gesundheit und Fitness, treiben Sport und ernähren sich bewusst.“Bezner macht es vor: Jeden Morgen um halb sechs zieht der ehemalige Leistungssportler seine Bahnen im Schwimmbad.
„No 6“erweitert die bisherigen drei Schnittformen von Olymp um eine vierte. Rund zwölf Millionen Hemden verkauft das baden-württembergische Traditionsunternehmen im Jahr. Die meisten davon im Segment „Luxor“, für die Normalfigur geschnitten und gänzlich bügelund knitterfrei. Denn neben „sportlich“heißen die großen Trends „lässig“und „convenience“(bequem). Auch was schick ist, soll ungezwungen aussehen und darf nicht viel Arbeit machen. Deshalb ist alles von Olymp zumindest „bügelleicht“.
Jedes zehnte Hemd aus Schwaben Mit dieser Mischung aus modischer Innovation und Qualität hat sich das 1951 gegründete Unternehmen zum Marktführer für Herrenhemden in Deutschland noch vor der Bielefelder Traditionsfirma Seidensticker entwickelt: Jedes zehnte Oberhemd trägt den Namen der Firma aus Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart. Auch europaweit gehört Olymp zu den größten Marken. Wollte das Unternehmen in den 1970er-Jahren mit bügelleichten Hemden noch vorwiegend Frauen erreichen, die für ihre Männer die Garderobe aussuchten, so kaufen – und bügeln – viele Männer heute selbst. „Je jünger die Männer, umso eher kaufen sie auch ihre Kleidung ein“, erzählt Bezner. Im gesetzteren Alter allerdings fallen viele Männer, so die Erfahrung des Unternehmers, in die Gewohnheiten ihrer Väter zurück und überließen es ihrer Partnerin, das richtige Outfit auszuwählen.
Was nicht immer einfach ist, einfach nur Weiß und Blau war gestern, heute ist die Palette wie bei allen Hemdenherstellern riesengroß. Im Olymp-Showroom am Stammsitz in Bietigheim-Bissingen schillert die nächste Sommer-Kollektion in vielen Farben: Rosé, Pink, Violett und Gelb. Dennoch bleiben weiße und blaue Hemden die Klassiker, von denen Bezner selbst mehr als 150 Stück im Kleiderschrank hat. „Doch das weiße Hemd wird variiert“, sagt er und zeigt auf eines mit blau gemustertem Innenkragen und Ärmelaufschlägen. Die Grenzen zwischen Business und Freizeit würden fließender, erklärt er, greift nach einem Hemd mit roten Streifen und zeigt, wie es einmal mit und einmal ohne Krawatte wirkt.
Was im Ausstellungsraum für Kunden schon zu sehen ist, kommt erst in einem halben Jahr in die Läden. So lange ist der Vorlauf einer Kollektion, von denen Olymp jedes Jahr vier produziert. Rund die Hälfte des gesamten Umsatzes von 237 Millionen Euro (2015) machen diese Vororders aus, die andere Hälfte sind die „Never out of Stocks“, also Teile, die immer nachbestellt werden können. Rund 300 Artikel sind in einem Katalog zusammengefasst und jederzeit verfügbar. Wenn Modehäuser bis 13 Uhr bestellen, geht die Ware am gleichen Tag noch raus.
Möglich macht das die Logistik. Hier kommt alles an, was in den Werken weltweit produziert wird und verlässt die Hallen in Bietigheim wieder kommissioniert, geprüft und verpackt. Fast alles ist hier automatisiert. 45 Millionen Euro hat das Unternehmen in dieses System investiert und damit die gesamte Logistik an ihrem Stammsitz zentralisiert.
Vier Millionen Teile kann das Lager fassen, 10 000 sind innerhalb einer Stunde fertig für den Versand und werden an rund 3000 Fachhändler und 60 eigene Geschäfte ausgeliefert. Seit März dieses Jahres kann auch im Online-Shop bestellt werden. Zwei Drittel der Ware wird in Deutschland verkauft, der kleinere Teil geht ins europäische Ausland und nach Russland.
Produktion nur im Ausland In Bietigheim-Bissingen, wo das Unternehmen 1951 gegründet wurde, wird zwar schon lange nicht mehr produziert, doch die Fäden laufen hier zusammen. Alle Stoffe, Garne, Knöpfe werden zentral eingekauft und von hier aus auf die sieben Werke verteilt. Sie stehen in Mazedonien, Kroatien, Vietnam, China sowie in Indonesien und sind keine eigenen, sondern Partnerbetriebe, mit denen das Modeunternehmen eng zusammenarbeitet. „Es gibt dort Produktionshallen, in denen ausschließlich unsere Hemden produziert werden“, so Bezner. Die Werke erhalten ein festes Auftragsvolumen für ein Jahr im Voraus. Damit stellt Bezner sicher, dass diese planen und ihre Aufträge eigenständig erfüllen können. Nur so kann das Unternehmen festgelegte Sozialstandards sicherstellen, erklärt Bezner. Die Partnerbetriebe bekommen für jedes Modell eine genaue Arbeitsanleitung und das Material mitgeliefert.
Olymp muss deshalb schon sehr genau wissen, wie viel und was im nächsten Jahr gefragt ist. „Das ist Erfahrung“, sagt der Olymp-Chef, der 1990 in das Familienunternehmen einstieg und es viele Jahre mit seinem Vater Eberhard Bezner gemeinsam führte. Von der Zentrale aus wird alles gesteuert, vom ersten Entwurf bis zum fertigen Hemd. Fast alle der rund 760 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. In der Design-Abteilung wird Zukunftsforschung betrieben: Gesellschaftliche Trends werden ermittelt und in Farben und Schnitte umgesetzt. Was gerade in Mode ist, ändert sich laufend: „In der 1990ern konnten die Hemden nicht weit genug sein“, so Bezner.
Diese Zeit ist lange vorbei und eine Entwarnung für Männerbäuche nicht in Sicht: Auch im Jahr 2017 gewinnen schmal geschnittene Hemden weiter an Bedeutung.