Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Streit um Kaiser’s Tengelmann hat ein Ende
Edeka und Rewe legen Kaufvertrag vor – 15 000 Jobs so gut wie gerettet
BERLIN - Bescherung schon in der ersten Adventswoche für die 15 000 Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann: Edeka und Rewe haben sich auf die Aufteilung der Filialen – die meisten in Berlin – und auf den Kaufpreis geeinigt. Die wohl letzte Hürde für die Rettung der angeschlagenen Supermarktkette ist damit überwunden. Der Kaufvertrag muss noch vom Bundeswirtschaftsministerium geprüft werden. Alle Jobs sind so gut wie gerettet.
Wie sieht die Einigung aus? Edeka übernimmt zunächst alle rund 400 Filialen der angeschlagenen Kaiser’s-Tengelmann-Kette. Je zwei Geschäfte in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern sowie 62 und damit gut die Hälfte der Berliner KT-Filialen werden danach allerdings an den Kölner Konkurrenten Rewe übergeben. Der Bruttoumsatz der Berliner Filialen beläuft sich auf rund 300 Millionen Euro. Rewe übernimmt überdies die Tengelmann-Fleischwerke im brandenburgischen Perwenitz sowie die Lager und die Verwaltung in Berlin. Anfang kommender Woche soll die Vereinbarung unterschrieben werden. Im Anschluss will Rewe die Klage gegen die Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel für die Kaiser’s-Tengelmann-Übernahme durch Edeka zurückziehen. Für alle 15 000 Mitarbeiter sind mit den Gewerkschaften mehrjährige Beschäftigungsgarantien ausgehandelt.
Was hätte bei einem Scheitern der Verhandlungen gedroht? Eine Großzahl der rund 400 Kaiser’sTengelmann-Filialen macht Verluste, deswegen wollte Unternehmenseigner Karl-Erivan Haub die Kette schon seit zwei Jahren verkaufen. Bei einer Zerschlagung wäre der Großteil der bundesweit 15 000 Jobs bedroht gewesen, schätzte der Betriebsrat.
ANZEIGE Bei der Aufteilung an viele Interessenten wären auch die Zentralverwaltung und die Fleischereien in Nordrhein-Westfalen geschlossen worden.
Gibt es noch Hürden? „Solange wir das noch nicht schriftlich haben, feiern wir nicht“, gab sich der Berliner Betriebsratschef Volker Bohne zunächst noch vorsichtig. Nächster Schritt ist die Prüfung durch das Bundeswirtschaftsministerium. Nach der notariellen Beglaubigung müssen Kaiser’s Tengelmann, Rewe und Edeka unterschreiben. Anschließend muss Rewe seine Klage zurückziehen. Theoretisch könnte das Bundeskartellamt dann noch Einwände erheben. Weil Kartellamtswächter aber bei der Schlichtung mit am Tisch saßen, gehen Experten nicht mehr davon aus.
Wie sicher sind die Jobs wirklich? Die mit den Gewerkschaften Verdi und NGG ausgehandelten Tarifverträge gelten für alle übernommenen Filialen, demnach auch für die 66 Geschäfte, die von Edeka an Rewe weitergereicht werden. Die Job-Garantie läuft über fünf Jahre.
An Doppelstandorten, wo die bisherigen Kaiser’s-Tengelmann-Läden in der Nähe einer Rewe- oder EdekaFiliale liegen, drohen über kurz oder lang aber Stellenstreichungen. Ob Edeka und Rewe schon kurzfristig „Lücken“nutzen, um betriebsbedingt Mitarbeiter zu entlassen, „wird sich zeigen“, warnte die wettbewerbspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, am Freitag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Wer ist neben den Mitarbeitern der Gewinner, wer der Verlierer? Dem Vollzug der Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel steht nichts mehr im Wege, daher kann sich der SPD-Chef als Job-Retter feiern lassen. Hätte die Blockade der Ministererlaubnis durch das Oberlandesgericht Düsseldorf Bestand gehabt, wäre das für Gabriel ein Debakel gewesen. Allerdings bleibt auch jetzt der Verdacht bestehen, der SPD-Chef habe sich von Beginn an auf Edeka als Käufer festgelegt. Überdies gibt es Kritik, durch eine Aufteilung von Kaiser’s Tengelmann an mehrere Interessenten hätten die meisten Filialen früher gerettet werden können und der Wettbewerb wäre gestärkt worden. Nun gehen die Filialen an den Supermarkt-Marktführer Edeka und den Zweitplatzierten Rewe, die ihre Positionen weiter ausbauen können. Zu den Verlierern zählt der Wettbewerb – und die Mitbieter Norma und Markant, die nur eine finanzielle Entschädigung erhalten.