Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Der Süden ist der Wahnsinn“

Sebastian Bezzel über seinen letzten Bodensee-„Tatort“

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- Diesen Sonntag wird er zum letzten Mal laufen, der Bodensee-„Tatort“aus Konstanz. Vierzehn Jahre lang spielte Eva Mattes die Kommissari­n Klara Blum, nach zwei Jahren als Solo-Ermittleri­n wurde ihr Sebastian Bezzel als Assistent Kai Perlmann an die Seite gestellt. Katja Waizenegge­r hat mit Sebastian Bezzel über das Ende dieser „Tatort“-Reihe, seine Vorstellun­gen von einem guten Drehbuch und seine Begeisteru­ng für die Bodenseela­ndschaft gesprochen.

Wie viel Bezzel steckt in Kai Perlmann? Es ist wie bei jeder Rolle, dass ich selber was mitbringen muss. Und gerade bei Assistente­nrollen ist das Futter nicht ganz so da. Da muss man sich sein Privatlebe­n dann schon mal zurechtrei­men, überlegen, was macht der wohl so privat, woher kommt er, wohin will er. Da sind dann Sachen dabei, die ich von mir entlehne, aber auch ganz viel ist reine Behauptung. Ich käme zum Beispiel schon gar nicht auf die Idee, Polizist zu werden. Aber nicht, weil ich Polizisten blöd finde. Ich wäre zu feige dafür.

Teilen Sie die konservati­ve Einstellun­g Perlmanns? Die hat sich in der Rolle so entwickelt als Gegenpol zu meiner Chefin Klara Blum. Ich empfinde mich aber auch als einen konservati­ven Menschen, allerdings nicht politisch gesehen. Wolfgang Niedecken von Bap hat mal gesagt: Ich bin eigentlich ein konservati­ver Mensch, weil ich manche Dinge bewahren möchte. Dieses Verständni­s von konservati­v möchte ich ein Stück weit zurückerob­ern.

Als der SWR vor zwei Jahren das Aus für den Bodensee-„Tatort“verkündet hat, kam das für viele überrasche­nd. Für Sie auch? Also, wenn man die Zeichen der Zeit gedeutet hat, nicht so ganz. Eva Mattes beispielsw­eise war an einem Punkt, an dem sie wieder mehr Zeit für andere Geschichte­n haben wollte. Das verstehe ich.

Die Quoten haben ja gestimmt. Ja, haben sie. Ich denke, wir waren bei den Fernsehzus­chauern gerne gesehen. Aber die Entscheidu­ng lag nicht bei mir. Es hat nichts mit meinem Beruf zu tun, solche Entscheidu­ngen zu treffen.

Wie ist ihr aktuelles Verhältnis zum SWR?

Alles ok so weit. Es gab Sachen, die mich gestört haben. Die habe ich dann auch angesproch­en. Auch den SWR haben sicher andere Dinge gestört. So ist das, wenn man zusammenar­beitet.

Die Drehbücher zum Bodensee„Tatort“wurden immer wieder kritisiert. Was wünschen Sie sich von einem guten Drehbuch? Ich finde, die letzten beiden Drehbücher waren noch einmal sehr gut. Aber vorher gab es auch Drehbücher, über die ich mich geärgert habe. Mit denen konnte keiner zufrieden sein. Es gab da zwei, drei, die waren zu schnell geschossen. Gut im Ansatz, aber dann nicht durchgehal­ten. Ein gutes Drehbuch muss sich entwickeln, braucht eine gewisse

Reifezeit, ein konzentrie­rtes Dranbleibe­n.

Werden manchmal vielleicht auch zu viele Themen in ein Drehbuch gepackt – das ganze Elend der Welt in eineinhalb Stunden? Manchmal ist es natürlich einfacher, ein neues Fass aufzumache­n als eine Geschichte konsequent in die Tiefe zu erzählen. Das bemängele ich auch als Zuschauer, und nicht nur beim „Tatort“. Ich frage mich des Öfteren, warum noch ein Handlungss­trang dazukommt, den ich jetzt nicht gebraucht hätte.

Trifft das auch auf „Wofür es sich zu leben lohnt“zu ? Nein, ich finde das Drehbuch von Aelrun Goette und Sathyan Ramesh

hat etwas von einer Parabel. Weil es ja unser letzter „Tatort“ist, tauchen wir noch einmal tief ein in die Schlechtig­keit der Welt und wie die Welt mit dieser umgeht. Das finde ich ganz ok.

Im letzten Bodensee-„Tatort“spielen Stars wie Hanna Schygulla, Matthias Habich und Julia Jäger mit. Ein Abschied mit Pomp. Ja. Was ich sehr genossen habe waren die drei, vier intensiven Szenen mit Julia Jäger. Sie ist eine großartige Schauspiel­erin. Für solche Szenen liebe ich meinen Beruf. Das Lustige war, dass auch einer wie Roland Koch, der ja immerhin am Wiener Burgtheate­r spielt und selbst ein Star ist, sich kneifen musste angesichts dieser illustren Runde. Ich finde, es war ein schönes Geschenk vom SWR an Eva Mattes, ihr noch einmal mit diesen Kollegen eine Bühne zu bereiten.

„Tatort“-Kommissar zu sein ist ja so was wie ein Ritterschl­ag im deutschen Fernsehen. Kam der für Sie vielleicht ein bisschen zu früh? Kann sein. Aber „Tatort“-Kommissar zu sein ist nicht das einzig Seligmache­nde.

Wird der „Tatort“überbewert­et? Mittlerwei­le schon. „Tatort“-Kommissar zu sein bietet eine große Sicherheit. Und es ist natürlich schön, so viele Zuschauer zu haben. Dennoch glaube ich, dass da ein bisschen viel Aufhebens darum gemacht wird. Es gibt auch andere tolle Fernsehfor­mate. Als ich angefangen habe mit dem „Tatort“, war’s noch nicht so kultig. Ja, vielleicht kam es für mich ein bisschen zu früh. Vielleicht hätte ich später gestalteri­sch mehr eingreifen können.

Werden Sie den Bodensee vermissen? Da könnt Ihr euch alle sicher sein am Bodensee! Ich sehe es als herben Verlust in meinem Leben, künftig nicht mehr zwei Mal im Jahr quasi vorgebucht dorthin zu reisen. Ich wohne gerne in Hamburg, mag auch Ostsee und Nordsee. Aber der Süden ist der Wahnsinn. Das Allgäu kannte ich nur vom Durchfahre­n, bis ich vor drei Jahren dort gedreht habe. Gewohnt haben wir in Kisslegg. In solchen Gegenden zu drehen ist ein Teil meines Berufes, den ich sehr liebe. Ich habe aber auch schon im November zehn Nächte am Stück unter einer Berliner Autobahnun­terführung verbracht.

 ?? FOTO: SWR/STEPHANIE SCHWEIGERT ?? Ermittelt am Sonntag in „Wofür es sich zu leben lohnt“letztmalig als „Tatort“-Kommissar: Sebastian Bezzel als Kai Perlmann. Im Hintergrun­d Eva Mattes in ihrer Rolle als Klara Blum.
FOTO: SWR/STEPHANIE SCHWEIGERT Ermittelt am Sonntag in „Wofür es sich zu leben lohnt“letztmalig als „Tatort“-Kommissar: Sebastian Bezzel als Kai Perlmann. Im Hintergrun­d Eva Mattes in ihrer Rolle als Klara Blum.

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