Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Süßer die Schlangen nie züngeln
Ausstellung in Frankfurt: Das Städel lädt zum Geschlechterkampf
FRANKFURT - Das Städel ist der Spannung im Verhältnis von Mann und Frau auf der Spur. Es verfolgt die Rollendarstellung der Geschlechter in der Kunst von 1860 bis 1945.
Wer auf die Ausstellung zugeht, könnte meinen, er komme zu den Alten Meistern. Der erste Blick fällt auf Adam und Eva. Sie stehen da im bekannten Kostüm, als hätte Dürer sie geschaffen. Doch die Schlange ist groß geworden und präsentiert ein rotes Äpfelchen. Ihre Haut schillert in schönem Blau. Große Schlangen auf nackten Evas tauchen im Werk Franz von Stucks (1863-1928) oft auf. Es wird gezüngelt, dass es eine Pracht ist. Boas Botschaft ist klar: Auch Eva ist eine Schlange.
Nächster Raum, nächste Runde: „Salome und ihre Schwestern“. Die Schätzchen kommen zur Sache. Salome präsentiert aus frischer Hausschlachtung das Haupt Johannes des Täufers (Jean Benner 1899, Lovis Corinth 1900). Judith metzgert Holofernes. Delila säbelt Simsons Lockenpracht ab, um ihm die Unbesiegbarkeit zu nehmen, die Männer bekanntlich im Haupthaar haben. All diese Motive – das zeigt die Ausstellung aber leider nicht – hatten zur Jahrhundertwende eine überreiche Wirkungsgeschichte hinter sich. Dabei stand der Kampf von Frau und Mann nicht immer im Vordergrund. Es ging auch um die Kunst der Intrige: um Situationen, derer frau mit List und Tücke Herr werden musste.
Alttestamentarisches im Salon Die alttestamentarischen KnallerSzenen werden nun verlegt ins bürgerliche Heldenleben. Wo das Barock den Kampfplatz mit Teppichen und prunkvollen Tüchern orientalisch drapierte, zeigt Max Liebermann 1902 weiße Laken in Aussteuer-Qualität. Triumphierend hält Delila die alten Zöpfe in die Höh’. Saubere Arbeit! Keine schwarze Männer-Borste bleibt auf der Kochwäsche zurück. Simson krümmt sich noch, Wallehaar ade! Aber kann er klagen? Kurzhaarschnitt ist top für Militär, Büro und Sport.
Das Thema „Geschlechterkampf“ist trendy und kitzelt Gender-Erwartungen, auch das Kuratorenteam wirbelt damit herum. Doch es hat ein konzeptionelles Problem gebastelt. Das Städel ist ein Kunstmuseum. Das Gender-Thema drängt in die Gesellschaftsgeschichte. Ohne die bleiben die Bilder sprachlos.
Die Malerei hinkt sowieso der Gesellschaft hinterher. Die Ausstellung wollte mit der Revolution von 1848 beginnen, wo Frauen zwar beim Barrikadenbau anpacken, aber nicht wählen durften. Das Parlament in der Paulskirche räumte ihnen, wenn sie den Debatten der Männer folgen wollten, eine Empore unterm Dach ein.
In der Kunst taucht das Thema Emanzipation erst spät auf, mit Symbolismus und Surrealismus. Und die gebärden sich mehr misogyn als emanzipatorisch. Die dann nach 1860 einsetzende Bildproduktion organisiert die Ausstellung – sie zeigt 150 Exponate, Bilder, Plastiken, Papierarbeiten und Filme – auf drei Wegen. Die Raumfolge ist chronologisch angelegt, die Säle sind teils Themen, teils Künstlern zugeordnet: Franz von Stuck, Edvard Munch, das Grafikkabinett mit dem Belgier Felicien Rops und dem Briten Aubrey Beardsley.
Wo bleiben die Frauen? Künstlerinnen sind in dieser Zeit und bei dieser Thematik in der Minderheit. Aber die Minderheit ist präsent: Die Berlinerin Jeanne Mammen (1890 1976) mit ihren Aquarellen, gefolgt von Lee Miller mit ihren Fotos und Bildkollagen sowie Lucy Schwob, die sich als Claude Cahun in einer Porträtserie als Zwitterwesen inszenierte.
Beträchtlicher Erklärungsbedarf Das Kuratorenteam spricht vom Geschlechterkampf als zeitlosem Thema. Die Kampfszenen, die es zeigt, kommen eher wie ein Trachtenumzug zum Stadtfest daher – abgesehen von Munch, der die Emanzipation als sein Lebensthema bezeichnete. Neben den motivgeschichtlichen spielen auch literarische Vorlagen eine Rolle: Jeanne Mammens Werkzyklus über die Versuchungen des Heiligen Antonius orientiert sich am gleichnamigen Roman Flauberts von 1874. Und selbst wo der Geschlechterkampf so unmittelbar und handgreiflich wird wie im Themensaal „Lustmord und Prostitution“, zielen die Bilder auch auf eine Gesellschaftskritik, wie das bei Otto Dix der Fall ist. Der Erklärungsbedarf der Ausstellung ist beträchtlich. Er wird vom Audioguide, einem fetten Katalog und dem Digitorial im Netz geleistet.
Ein weiteres Medium für das Kampfthema ist der Film. Das Städel zeigt Ausschnitte, die vollständigen Fassungen das Filmmuseum nebenan.