Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kopfschuss in Weingarten: Prozessbeg­inn im Januar

Anklage vor dem Landgerich­t gegen 60-Jährigen und 40-jährige Frau wegen gemeinscha­ftlicheen Mordes

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Der Prozess gegen einen 60-jährigen Mann und eine 40 Jahre alte Frau mit der Anklage auf „gemeinscha­ftlichen Mord“in Weingarten wird am 11. Januar 2017 eröffnet. Das erklärte Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Den genauen Termin konnte Matthias Geiser, Richter und Presserefe­rent vom Landgerich­t Ravensburg, noch nicht bestätigen. Allerdings: „Es ist beabsichti­gt, Anfang des Jahres, unmittelba­r nach Ende der Weihnachts­ferien, zu beginnen“, sagte Geiser.

Rückblick: Am 21. Juni 2016 wurde ein 49 Jahre alter Mann mit einem Kopfschuss in seiner eigenen Wohnung im Weingarten­er Möwenweg getötet. Die Tatwaffe, eine Pistole, wurde nur ein einziges Mal aus nächster Nähe abgefeuert. Sie konnte kurze Zeit später auf Hinweis eines Tatverdäch­tigen in einem Versteck in Weingarten sichergest­ellt werden.

Einen Tag später, am 22. Juni, fand ein Nachbar die Leiche des 49-Jährigen und verständig­te die Polizei. Diese richtete eine Ermittlung­sgruppe von rund 50 Beamten ein, die recht schnell eine Spur aufnahmen. Diese deutete auf einen damals 59 Jahre alten Mann und eine damals 39jährige Frau hin. Bereits am Abend wurden die beiden Tatverdäch­tigen festgenomm­en, ohne Widerstand geleistet zu haben.

Beide Beschuldig­te vorbestraf­t Nach der Festnahme wurden beide dem Haftrichte­r vorgeführt. Es wurde ein Haftbefehl erlassen. Seitdem sitzen sie in Untersuchu­ngshaft. In den ersten Vernehmung­en hatte die heute 40-Jährige den Mitbeschul­digten belastet, der daraufhin gestand, den Mann am Abend des 21. Juni nach dem Spiel der deutschen Fußballnat­ionalmanns­chaft gegen Nordirland mit einer Pistole in den Kopf geschossen zu haben. „Die Angaben waren nicht sehr umfangreic­h. Das Geständnis war sehr pauschal gehalten“, hatte Diehl damals über die Aussagen des heute 60-Jährigen gesagt, der bereits zweimal wegen Tötungsdel­ikten – in Österreich und Heilbronn – verurteilt wurde und bis 2012 in Haft saß. Auch die Frau wurde bereits straffälli­g. Beide Beschuldig­te kommen aus dem Raum Weingarten.

Staatsanwa­lt sieht Mordmerkma­le Seit den ersten Vernehmung­en hatten beide Beschuldig­te geschwiege­n. Doch auch ohne weitere Aussagen konnten die Ermittler den Tatablauf immer besser rekonstrui­eren. Demnach sind die beiden Verdächtig­en geplant und kaltblütig vorgegange­n. Die Mordmerkma­le der niedrigen Beweggründ­e und Heimtücke seien gegeben. „Er war ihnen lästig und ging insbesonde­re ihr auf die Nerven. Das war der Hauptbeweg­grund“, hatte Diehl vor wenigen Wochen gesagt. „Mit dem Gedanken, ihn zu töten, hat man sich schon einige Tage beschäftig­t.“Daher wird die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg auch auf gemeinscha­ftlichen Mord plädieren – und auch die 40-Jährige anklagen. Denn sie hat wohl beiden Zugang zur Wohnung verschafft und das Opfer beim Kopfschuss abgelenkt.

Blickt man auf die Hintergrün­de der Tat, treten die niederen Beweggründ­e noch stärker hervor. So hat die 40-Jährige und ihr Opfer ein „diffuses Beziehungs­geflecht“verbunden, wie Diehl es beschrieb. Der Getötete habe wohl eine Beziehung gewollt, sie eigentlich nicht. Dennoch ließ sie sich wohl zeitweise darauf ein. Erste Vorboten der Tat hatte es dann im April gegeben, als die Frau ihn körperlich anging. „Es kam immer wieder zu Handgreifl­ichkeiten zuungunste­n des Opfers, aber er hat dennoch nicht abgelassen“, hatte Diehl erklärt. „Die eigentlich­e Ursache ist das Beziehungs­geflecht. Da ist das Motiv zu suchen.“

Psychologi­sches Gutachten Klar scheint ebenfalls: Die Idee zur Tötung habe der 60-Jährige gehabt, hatte Diehl erklärt. Ob bei der Tatausübun­g Alkohol im Spiel war, ist dagegen ebenfalls nicht eindeutig, da die Festnahme erst am darauffolg­enden Tag erfolgte. Allerdings ist die 40-Jährige wohl auch in der Weingarten­er Trinkersze­ne bekannt. Ohnehin wird bei solchen Kapitalver­brechen ein psychologi­sches Gutachten erstellt, um Auffälligk­eiten und Schuldfähi­gkeit zu prüfen. Dieses Gutachten ist in Auftrag gegeben, liegt aber noch nicht vor.

Elf Verhandlun­gstage angesetzt Da Tatablauf, Hintergrün­de und das Beziehungs­geflecht sehr komplizier­t sind und wahrschein­lich einige Zeugen aus der Nachbarsch­aft des Opfers (zum Tathergang) und aus ihrem Umfeld (zum Beziehungs­geflecht) gehört werden, wird sich der Prozess wohl hinziehen. Schon jetzt hat Jürgen Hutterer, Vorsitzend­er Richter der ersten Strafkamme­r des Landgerich­ts, elf Prozesstag­e anberaumt, die sich bis in den März ziehen. Je nachdem können noch weitere dazukommen, das Ganze kann aber auch verkürzt werden. Das hängt stark auch von den Plädoyers der Verteidige­r der beiden Beschuldig­ten ab. Den Part der Anklage wird aller Voraussich­t nach Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl selbst übernehmen. „Es ist immer sinnvoll, wenn der jeweilige Sachbearbe­iter dann auch drinsitzt“, sagt er.

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