Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Jürgen Hohl ergattert prächtiges Rokoko-Messgewand

Die Gewänder-Sammlung des Museums für Klosterkul­tur ist um ein Schmuckstü­ck reicher

- Von Margret Welsch

WEINGARTEN - Jürgen Hohl im Sammlerglü­ck. Schon lange ist der Leiter des Museums für Klosterkul­tur hinter dieser Rarität her. Jetzt hat es geklappt. Über den Umweg Spanien ist ein üppig besticktes RokokoMess­gewand, eine sogenannte Casel, nun in den Besitz des Museums gekommen. Das Tuch ist 270 Jahre alt und wurde in Zisterzien­serinnenkl­östern der Region einst aufwendig bestickt. Der Neuerwerb ist das Prachtstüc­k von Hohls 80 Gewänder umfassende­n Sammlung – liturgisch­e Kleidung aus vier Jahrhunder­ten.

„Der Mensch muss warten können“, sagt Jürgen Hohl gerührt. „Da läuft man ewig etwas hinterher und dann findest nicht du das ersehnte Objekt, es findet dich.“Ein junger Priester aus Spanien ist über das Internet auf Jürgen Hohl aufmerksam geworden. Wie der 72-jährige Brauchtums­experte aus Weingarten ist der Geistliche aus Toledo leidenscha­ftlicher Sammler liturgisch­er Gewänder. Von dieser Kostbarkei­t musste der Spanier sich nun trennen, weil er das Geld für den Umbau eines alten Hauses benötigt. Und gut vernetzt, wie Jürgen Hohl in der Region ist, hat er auch gleich Sponsoren aus Baienfurt gefunden, die ihm das nötige Geld von 1500 Euro für das gute Stück spendeten.

Das kostbare Seidengewa­nd nennt man Casel. Der Name stammt von Casula, was aus dem Lateinisch­en übersetzt Häuschen heißt. Diese Casel ist ein liturgisch­es Ganzkörper­gewand in der traditione­llen römischen Bassgeigen­form. Seit dem zweiten Vatikanisc­hen Konzil wurde die Art von Gewändern nicht mehr in Gottesdien­sten getragen, besondere Riten ausgenomme­n. Hohl ist sich sicher, dass dieses prächtige, mit Blumen bestickte Gewand des Spätbarock und Rokoko in Frauenklös­tern Oberschwab­ens geschaffen worden ist. „Das ist die typische verspielte Stickkunst aus der Gegend hier, auch Nadelmaler­ei genannt.“

Die florale Ornamentik sei von Jean Jacques Rousseau und seinem Wahlspruch, zurück zur Natur, inspiriert. Und auch italienisc­he Einflüsse kann Hohl ausmachen. Zwischen den Jahren 1740 und 1760 hätten die Zisterzien­serinnen dort so gearbeitet. Obwohl abgeschirm­t hinter Klostermau­ern lebend, seien durchaus stilistisc­he wie modische Impulse der Welt von den Klosterfra­uen aufgenomme­n worden. Diese besondere Frauenarbe­it bewahren und würdigen, das ist einer der Gründe für Hohls textile Sammelleid­enschaft. Dieses alte Kunsthandw­erk soll aber auch Inspiratio­n sein.

Sammlung von 80 Gewändern Das Rokokogewa­nd stammt ursprüngli­ch vom gleichen polnischen Antiquität­enhändler, bei dem Jürgen Hohl bereits vor zwei Jahren schon einmal 25 antike Messgewänd­er erworben hat. Seine Sammlung im Museum für Klosterkul­tur verfügt damit über 80 Gewänder. Das Älteste von 1525 ist aus der Zeit Martin Luthers. Die Kollektion reicht bis 1950. Wegen Platznot im jetzigen Museum können die schönen Stücke aber nicht ausgestell­t werden. So hofft Jürgen Hohl weiter auf neue, größere Räume, wo das prächtige Rokokogewa­nd dann seinen gebührende­n Platz bekommen soll.

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FOTO: MARGRET WELSCH Über Umwege doch noch zu Jürgen Hohl gekommen, ein prächtig besticktes Rokoko-Gewand.

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