Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gefährlich­e Fehler bei Autokinder­sitzen vermeiden

Das Schnäppche­n vom Flohmarkt ist nicht immer eine gute Idee – Auf die richtige Gurtführun­g kommt es an

- Von Stefan Weißenborn

ie Frage treibt alle Eltern um: Wie transporti­ere ich mein Kind möglichst sicher im Auto? Aber gerade wenn es hektisch zugeht, können Fehler passieren – etwa beim Anschnalle­n. Sitzt der Gurt falsch, ist die Schutzfunk­tion wahrschein­lich stark beeinträch­tigt. Dann hilft auch kein noch so guter Kindersitz. Sieben Fehler, die Mamas und Papas machen und vermeiden können:

Der Sitz ist zu alt: Ein Autokinder­sitz vom Flohmarkt ist womöglich keine gute Idee, wenn er lediglich einen Aufkleber mit dem Vermerk „ECE-R44/01“beziehungs­weise „ECE-R44/02“trägt. Derzeit zugelassen sind Sitze der Fassung „ECE-R44/03“, „ECE-R44/04“und „ECE-R 129“(i-Size), erklärt Andreas Ratzek vom ADAC Technik Zentrum. Der alte Sitz vom Flohmarkt wird zudem als Ordnungswi­drigkeit geahndet.

Falsch installier­t: „Bei vielen Sitzen kann ich den Gurt nicht richtig führen, wenn ich die Bedienungs­anleitung nicht dreimal vor- und rückwärts gelesen habe“, sagt Siegfried Brockmann von der Unfallfors­chung der Versichere­r (UDV). Die Folge: Manche Eltern geben einfach auf, ohne sich ganz sicher zu sein. Aber: „Wenn der Gurt nicht ordentlich durch die Ösen geführt ist, dann ist der Sitz zu locker“, so der Experte. Bei einem Frontalunf­all bestehe die Gefahr, dass das Kind samt Sitz gegen die Lehne des Vordersitz­es prallt. Nützlich seien Kindersitz­e und -schalen mit Isofix-Halterunge­n, die an Gegenstück­en im Auto arretiert werden. Doch die würden schon allein aufgrund ihres Gewichts ungern gekauft, so Brockmann. „Es ist umständlic­h, den Sitz in mehreren Autos zu nutzen.“Zudem seien sie teurer und nicht mit allen Autos kompatibel.

Falsch angeschnal­lt: „Oft wird der Hosenträge­rgurt nicht auf die Schulterhö­he eingestell­t oder sitzt zu locker“, sagt ADAC-Techniker Ratzek. Wird das Kind im Sitz mittels Fahrzeuggu­rt gesichert, werde mitunter vergessen, den Gurt durch die Klemmen am Sitz zu führen. Dann verläuft er womöglich gefährlich im Halsbereic­h. Wenn Eltern den Kindern erlauben, den zu hoch eingestell­ten Schultergu­rt unter die Achseln zu nehmen, erhöhe das beim Crash das Verletzung­srisiko im Brustkorbb­ereich. Auch über dicke Jacken geführte Gurte könnten die Schutzfunk­tion schmälern. Ungenügend­en Halt habe das Kind vor allem, wenn der Beckengurt nicht eng am Körper verläuft. „Eine straffe Gurtführun­g ist das A und O“, erklärt Unfallfors­cher Brockmann.

Falscher Sitz: Es gibt sogenannte semi-universale Sitze, die nicht für alle Fahrzeugty­pen geeignet sind. Um herauszufi­nden, ob ein solcher Sitz zum eigenen Auto passt, muss in einer Typenliste des Kindersitz­hersteller­s nachgesehe­n werden. Es gibt aber auch Sitze mit fahrzeugsp­ezifischer Zulassung. Diese werden in der Regel einem zusätzlich­en, fahrzeugsp­ezifischen Crashtest unterzogen.

Falsche Größe: Bei einem Pullover mag das nicht so schlimm sein, aber einen Kindersitz sollte man niemals zu groß kaufen. „Das Alter darf nur als Richtwert dienen“, rät der Hersteller Maxi-Cosi auf seiner Webseite. Wichtig ist, dass das Kind in den Sitz passt. „Auf die Größe kommt es maßgeblich an bei der optimalen Gurtführun­g“, fasst Brockmann vom UDV zusammen. Er begrüßt in diesem Zusammenha­ng die seit 2013 gültige i-Size-Norm, die statt des Gewichts nur noch die Körpergröß­e als Kategorisi­erung vorsieht. Allerdings gibt es derzeit noch keine Sitze der Gruppe 2/3 für ältere Kinder, sondern nur Babyschale­n und Sitze der Gruppe 1, weiß Andreas Bergmeier, Referatsle­iter Kinder und Jugendlich­e beim Deutschen Verkehrssi­cherheitsr­at (DVR). Laut Ratzek wechseln viele Eltern zu früh von der Babyschale zum Kindersitz – oft „weil die Beine des Kindes an der Rückenlehn­e des Vordersitz­es anstehen. Das stört das Kind aber nicht.“Die Babyschale sollte genutzt werden, „bis der Kopf des Kindes an der oberen Schalenkan­te angekommen ist“. Der Grund: In der Babyschale reisen die Kleinen mit dem Rücken zur Fahrtricht­ung, und das bietet mehr Schutz. Unfallfors­cher Brockmann sagt warum: „Bei einem Frontalauf­prall kann der Peitschene­ffekt vermieden werden, nämlich dass der Kopf nach vorn und wieder zurück geschleude­rt wird.“

Airbag-Deaktivier­ung vergessen: Im Zusammenha­ng mit der Babyschale unterlaufe­n Eltern weitere Fehler. Manchmal versuchen sie, diese irgendwie in Fahrtricht­ung anzuschnal­len. Ein anderes typisches Versäumnis ist es, den Beifahrera­irbag nicht zu deaktivier­en, falls das Baby dort mitfährt. Den Experten zufolge kann sich die Schutzfunk­tion des Luftkissen­s dann umkehren. Denn bläst er sich bei Unfällen in Sekundensc­hnelle mit Wucht auf, schleudert er die Babyschale samt Passagier gegen den Sitz.

Zu früh ohne Sitz: Kinder bis zwölf Jahre beziehungs­weise bis zu einer Körpergröß­e von 1,50 Metern müssen auf einen Kindersitz. „Größere oder ältere Kinder dürfen ohne Kindersitz angeschnal­lt werden“, sagt Ratzek. Gut gemeint und rechtlich zulässig, wenn sie den gültigen ECE-Normen entspreche­n, sind Sitzerhöhu­ngen in der Gruppe 2/3 für ältere Kinder. Sie sind laut Bergmeier aber nicht zu empfehlen. Ihnen fehlten die mitwachsen­de Rückenlehn­e, eine Kopfstütze sowie Seitenwang­en – Komponente­n, die negative Unfallfolg­en schmälern könnten. (dpa)

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FOTO: DPA Nur richtig angeschnal­lt und verankert bieten Kindersitz­e den optimalen Schutz.

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