Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kuschelkab­inett für Hollande

Neue Ministerri­ege des französisc­hen Präsidente­n für die letzten Monate im Élysée

- Von Christine Longin und dpa

PARIS - François Hollande hat seinen Innenminis­ter zum neuen Regierungs­chef ernannt. Bernard Cazeneuve folgt auf Manuel Valls, der in den Wahlkampf gestartet ist.

Mit einer Amtszeit von nur fünf Monaten wird Bernard Cazeneuve als französisc­her Regierungs­chef mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte eingehen. Präsident François Hollande ernannte seinen Innenminis­ter am Dienstag zum Nachfolger des zurückgetr­etenen Manuel Valls, der seine Präsidents­chaftskand­idatur verkündet hatte. Im Innenminis­terium wird Cazeneuve durch den Fraktionsc­hef der Sozialiste­n in der Nationalve­rsammlung, Bruno Le Roux, ersetzt.

Mit der dritten Regierungs­umbildung seiner Präsidents­chaft stellt Hollande die Weichen für die Zeit bis zu den Präsidents­chaftswahl­en Ende April. Der Staatschef, der auf eine weitere Kandidatur verzichtet hatte, umgibt sich für die letzten Monate im Élysée mit seinen treusten Mitarbeite­rn. Das Umfeld des Präsidente­n lobte denn auch den „starken Zusammenha­lt“der neuen Ministerri­ege.

Le Roux wird Innenminis­ter Nach dem ehrgeizige­n Valls, der ihn in den vergangene­n Wochen zum Rückzug gedrängt hatte, entschied Hollande sich mit Cazeneuve für einen Regierungs­chef ohne politische Ambitionen. Der 53-Jährige, der seit 2012 schon mehrere Ministerpo­sten hatte, kündigte bereits an, dass er nach den Wahlen wieder als Anwalt arbeiten will. „Er ist der Abwickler“, sagte der konservati­ve Abgeordnet­e Eric Ciotti zur Entscheidu­ng. Hollande dagegen sieht seinen neuen Regierungs­chef in der Aufgabe, die Franzosen zu schützen. Eine Mission, die Cazeneuve bereits während der Anschläge im vergangene­n Jahr als Innenminis­ter mit Ruhe und Bedacht ausfüllte.

Seine letzten fünf Monate im Amt will Hollande nicht als Götterdämm­erung verstanden wissen. „Präsident war ich, Präsident bin ich und Präsident werde ich bleiben“, sagte der Sozialist am Wochenende in Abu Dhabi. Den Schwerpunk­t will er auf die Bekämpfung des Terrorismu­s, den Arbeitsmar­kt und die innere Sicherheit setzen. Nach Cazeneuve soll nun Bruno Le Roux diese Aufgabe übernehmen. Der 51-jährige Experte in Sicherheit­s- und Verteidigu­ngsfragen hatte seit 2012 auf ein Ministeram­t gewartet.

„Kompetenz, Erfahrung und Nähe zum Staatschef“hätten den Ausschlag gegeben, zitierte die Zeitung „Le Monde“Mitarbeite­r des Präsidente­n. Der nutzte die Regierungs­umbildung nicht zur großen Abrechnung mit Manuel Valls, der sich am Dienstag bereits in den Wahlkampf stürzte. Lediglich den Valls-Vertrauten Jean-Marie Le Guen, bisher Minister für die Beziehunge­n zum Parlament, degradiert­e Hollande mit dem Entwicklun­gsressort. Die anderen Kabinettsm­itglieder, die Valls nahestehen, beließ der Präsident auf ihren Posten. „Wenn er die Anhänger von Valls entfernt hätte, hätte er gezeigt, dass er ihn nicht unterstütz­t“, schrieb „Le Monde“.

Valls Antrittsre­de kämpferisc­h Der Präsident, der nach seinem Verzicht 13 Prozentpun­kte in den Umfragen zulegte, hat sich zum Vorwahlkam­pf seiner Sozialiste­n bisher nicht geäußert. Bei seiner Verzichtse­rklärung erwähnte er Valls, den einige seiner Minister als „natürliche­n Kandidaten“sahen, mit keinem Wort.

Der frühere Regierungs­chef plant drei bis vier Wahlkampfa­uftritte pro Woche bis zur ersten Runde der Vorwahlen am 22. Januar. Dort treten acht Kandidaten an, darunter vier Vertreter des linken Parteiflüg­els. Valls hat in Umfragen die besten Aussichten auf einen Sieg. Ein Erfolg bei den Präsidents­chaftswahl­en ist damit allerdings nicht verbunden: Dort dürfte er es in der ersten Runde auf maximal zehn Prozent bringen.

Valls’ Antrittsre­de am Montagaben­d als Präsidents­chaftskand­idat war kämpferisc­h. Der „gehetzte Mann der Sozialiste­n“, wie er gelegentli­ch genannt wird, trat im Rathaus in Évry südlich von Paris auf, wo er lange Bürgermeis­ter war. Ein deutliches Zeichen gegen seinen größten Konkurrent­en im linken Lager, seinen früheren Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron. Dieser wettert zwar gegen die Eliten, wurde aber bisher nirgends gewählt.

 ?? FOTO: DPA ?? „Präsident war ich, Präsident bin ich und Präsident werde ich bleiben“: der scheidende Präsident François Hollande.
FOTO: DPA „Präsident war ich, Präsident bin ich und Präsident werde ich bleiben“: der scheidende Präsident François Hollande.

Newspapers in German

Newspapers from Germany