Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Merkel kritisiert Parteitags­beschluss

Bundeskanz­lerin distanzier­t sich vom Votum gegen den Doppelpass

- Von Sabine Lennartz

ESSEN - Die CDU-Chefin Angela Merkel hat sich kurz nach Ende des Essener Parteitags von dem Beschluss, die doppelte Staatsbürg­erschaft wieder abzuschaff­en, distanzier­t. „Für das Regierungs­handeln wird sich jetzt nichts ändern“, sagte sie nach dem Parteitag am Mittwoch vor Journalist­en. Das ist eine Absage an den konservati­ven Teil ihrer Partei, der immer gegen den Doppelpass gekämpft hatte.

Zuvor hatte der Parteitag in Essen gegen das Votum der Parteispit­ze auf Vorschlag der Jungen Union den Beschluss gefasst, die doppelte Staatsbürg­erschaft für in Deutschlan­d geborene Kinder ausländisc­her Eltern wieder abzuschaff­en und die sogenannte Optionspfl­icht wieder einzuführe­n. Dabei geht es hauptsächl­ich um türkische Jugendlich­e.

SPD-Chef Sigmar Gabriel reagierte postwenden­d. „Das ist ein schlimmer Beschluss“, sagte der Vizekanzle­r am Nachmittag in Berlin. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzend­e Merkel habe sich ihr Wiederwahl­ergebnis beim CDU-Parteitag von 89,5 Prozent „erkauft“, indem sie nun den innerparte­ilichen Gegnern ihrer Flüchtling­spolitik die in Deutschlan­d geborenen Kinder ausländisc­her Eltern opfere, meinte der Vizekanzle­r.

Auch die Grünen reagierten empört. „Die CDU will hier geborene und lebende Deutschtür­ken ausgrenzen und damit dem autoritäre­n Herrscher Erdogan überlassen“, sagte Grünen-Parteichef Cem Özdemir. Die Integratio­nspolitik der CDU werde unberechen­bar.

Die Sorge davor treibt wohl auch die Kanzlerin um. Sie warnte davor, von dem Kompromiss mit der SPD abzurücken. Während Unionsfrak­tionschef Volker Kauder erklärte, der Parteitags­beschluss könne zwar nicht in sofortiges Regierungs­handeln, wohl aber in das Wahlprogra­mm einfließen, hält Merkel nichts von einem Bundestags­wahlkampf mit dem Thema Doppelpass.

Anders als die CDU-Chefin begrüßte CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer dagegen den Parteitags­beschluss der CDU als „gute Entscheidu­ng“. Es sei richtig, das Profil der CDU wieder zu schärfen.

Die Unions-Innenminis­ter haben sich bereits vor einigen Wochen für ein Ende der Doppelpass-Regelung ausgesproc­hen. Der CDU-Vize und baden-württember­gische Innenminis­ter Thomas Strobl sagte, er könne mit der Entscheidu­ng des CDU-Parteitags gut leben. Allerdings sieht er, genau wie Bundesinne­nminister Thomas de Maizière auch, derzeit keine Koalitions­möglichkei­ten, in denen dies umzusetzen wäre. De Maizière hatte den Parteitag erfolglos vor einer Änderung der Regelung zur doppelten Staatsbürg­erschaft gewarnt. Präsidiums­mitglied Jens Spahn hatte dagegen gesagt, eine klare Entscheidu­ng für eine Staatsange­hörigkeit könne durchaus jedem abverlangt werden.

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