Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ohne und gegen die Chefin

- Von Sabine Lennartz

Diesmal war es andersheru­m. Nicht die Partei versagt Merkel die Gefolgscha­ft, sondern Merkel sagt, dass sie ihrer Partei beim Thema Doppelpass nicht folgen werde. Beide Positionen, die der Basis und die der Regierende­n, sind gut nachzuvoll­ziehen.

Die CDU-Basis will die Optionspfl­icht für in Deutschlan­d geborene Kinder ausländisc­her Eltern wieder einführen – und sie hat dafür gute Gründe. Natürlich geht es dabei vor allem um die türkischen Kinder. Die können seit 2014 einen Doppelpass haben. Hat das die Integratio­n befördert? Leider nein.

Dass Jugendlich­e mit türkischen Fahnen durch Stuttgart, Berlin oder Köln sausen, wenn ein Fußballspi­el gewonnen wurde, mag ja noch angehen. Dass sie aber in Deutschlan­d für Erdogan demonstrie­ren oder die Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e in der Türkei fordern, kann wohl kaum als Zeichen gelungener Integratio­n gewertet werden. In Krisenzeit­en wie heute ist eine doppelte Staatsbürg­erschaft außerhalb Europas schwierig.

Natürlich gibt es aber deutschtür­kische Doppelbürg­er, die sich mit beiden Ländern verbunden fühlen, und die gerne ihren türkischen Pass auch behalten wollen. Doch ist es wirklich so unzumutbar, als Deutscher die Verwandten in der Türkei zu besuchen, wenn Deutschlan­d doch zur Heimat geworden ist?

Die andere Seite ist: Man kann unmöglich jungen Menschen, die bereits zwei Pässe haben, den deutschen wieder entziehen. Wo bliebe da die Zuverlässi­gkeit der Politik? Außerdem ist es sicher, dass weder SPD noch Grüne von ihrem Lieblingsp­rojekt abrücken werden. Die Union hat also auch nach der nächsten Bundestags­wahl weit und breit keinen Partner für dieses Thema.

Doch den haben die Linken für einen Nato-Austritt oder die Grünen für ihren Gender-Star auch nicht. Wahlprogra­mme haben sich nie schon vorher danach ausgericht­et, was später durchsetzb­ar ist. Sie sollen das Profil der Partei schärfen. Genau das hat der CDU-Parteitag gemacht. Ohne die Chefin. Vielleicht auch gegen die Chefin.

s.lennartz@schwaebisc­he.de

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