Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

EU-Kommission startet Solidaritä­tskorps mit jungen Leuten

Im neuen Freiwillig­endienst sollen sich Menschen zwischen 18 und 30 Jahren engagieren und Auslandser­fahrungen sammeln

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Es hat schon etwas unfreiwill­ig Komisches, wenn ältere Herrschaft­en zu DJ-Klängen weiße TShirts mit der Aufschrift „European Solidarity Corps“schwenken und Haushaltsk­ommissarin Kristalina Georgieva einer Handvoll junger Menschen aufmuntern­d zuruft: „Hands up! Sign in!“

Mit großem Tamtam gab die EUKommissi­on am Mittwoch den Startschus­s für das Projekt, das sich bei näherer Betrachtun­g als Dachverban­d mehrerer bereits bestehende­r Jugendinit­iativen entpuppt. Das muss nicht schlecht sein – vorausgese­tzt, es wird nicht anderswo benötigtes Geld umgewidmet und es entstehen keine zusätzlich­en Verwaltung­sstrukture­n.

Den „Europäisch­en Freiwillig­endienst“(EFD) gibt es seit 20 Jahren. Ein Anruf beim deutschen Zweig der Organisati­on ergibt, dass man dort auch nicht so genau weiß, wie die neue Struktur mit der alten zusammenhä­ngen soll. „Um ehrlich zu sein – wir haben uns das auch schon gefragt“, sagt Andreas Klünter vom EFD. Im „Europäisch­en Solidaritä­tskorps“würden zusätzlich zum Freiwillig­endienst auch Organisati­onen und Firmen gefördert, die jungen Menschen den Einstieg in Beruf und Ausbildung ermögliche­n. Beim EFD gehe man davon aus, dass sich die eigene Arbeit nicht ändere und keine neuen Strukturen geschaffen würden. Es gebe nur mehr Geld.

700 bis 800 Jugendlich­e aus Deutschlan­d gehen jährlich mit dem EFD für zwei bis zwölf Monate ins europäisch­e Ausland. 600 Plätze stehen in Deutschlan­d für junge Europäer zur Verfügung. Für Deutschlan­d stehen Mittel von jährlich 4,5 Millionen Euro bereit. Davon werden Fahrtkoste­nzuschüsse, Taschengel­d und Betreuung bezahlt. Ab kommendem Jahr wird das Budget auf 9,4 Millionen Euro aufgestock­t. Die Nachfrage sei vorhanden, so Klünter. Wenn mehr Mittel zur Verfügung stünden, könne die Warteliste abgebaut werden. Das von der EU-Kommission angestrebt­e Ziel, bis 2020 rund 100 000 jungen Menschen zwischen 18 und 30 Jahren erste Berufserfa­hrungen im Ausland zu vermitteln, hält er für realistisc­h.“

Petra Kammerever­t, jugendpoli­tische Sprecherin der SPD-Abgeordnet­en im Europaparl­ament, steht der Initiative äußerst skeptisch gegenüber. „Junckers Vision eines Solidaritä­tskorps deckt sich an vielen Stellen mit Bestandtei­len des Europäisch­en Freiwillig­endienstes. Es würde beiden Projekten schaden, wenn sie in Konkurrenz zueinander stünden“, befürchtet die Europaabge­ordnete. Ein Blick auf die Webseiten scheint diese Bedenken zu bestätigen. https://www.go4europe.de/ und https://europa.eu/youth/solidarity/mission_de scheinen mit unterschie­dlichen Mitteln für dasselbe Produkt zu werben. Die neue Initiative kommt etwas flotter daher und schmückt sich mit dem Slogan: „Wir kümmern uns. Wir handeln.“

Ob es gelingt, Europas Jugend dadurch wieder mehr für die europäisch­e Idee zu erwärmen, wird man erst in ein paar Jahren wissen. Doch ist es für einen Staatenver­bund, der Solidaritä­t und Menschenre­chte zu seinen Markenzeic­hen zählt, ganz sicher kein schlechtes Konzept, auf den Enthusiasm­us und die Neugier junger Menschen zu bauen.

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FOTO: DPA Lautstark werben die EU-Kommissari­nnen Marianne Thyssen (li.) und Kristalina Georgieva für den neuen Solidaritä­tskorps.

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