Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
EU-Kommission startet Solidaritätskorps mit jungen Leuten
Im neuen Freiwilligendienst sollen sich Menschen zwischen 18 und 30 Jahren engagieren und Auslandserfahrungen sammeln
BRÜSSEL - Es hat schon etwas unfreiwillig Komisches, wenn ältere Herrschaften zu DJ-Klängen weiße TShirts mit der Aufschrift „European Solidarity Corps“schwenken und Haushaltskommissarin Kristalina Georgieva einer Handvoll junger Menschen aufmunternd zuruft: „Hands up! Sign in!“
Mit großem Tamtam gab die EUKommission am Mittwoch den Startschuss für das Projekt, das sich bei näherer Betrachtung als Dachverband mehrerer bereits bestehender Jugendinitiativen entpuppt. Das muss nicht schlecht sein – vorausgesetzt, es wird nicht anderswo benötigtes Geld umgewidmet und es entstehen keine zusätzlichen Verwaltungsstrukturen.
Den „Europäischen Freiwilligendienst“(EFD) gibt es seit 20 Jahren. Ein Anruf beim deutschen Zweig der Organisation ergibt, dass man dort auch nicht so genau weiß, wie die neue Struktur mit der alten zusammenhängen soll. „Um ehrlich zu sein – wir haben uns das auch schon gefragt“, sagt Andreas Klünter vom EFD. Im „Europäischen Solidaritätskorps“würden zusätzlich zum Freiwilligendienst auch Organisationen und Firmen gefördert, die jungen Menschen den Einstieg in Beruf und Ausbildung ermöglichen. Beim EFD gehe man davon aus, dass sich die eigene Arbeit nicht ändere und keine neuen Strukturen geschaffen würden. Es gebe nur mehr Geld.
700 bis 800 Jugendliche aus Deutschland gehen jährlich mit dem EFD für zwei bis zwölf Monate ins europäische Ausland. 600 Plätze stehen in Deutschland für junge Europäer zur Verfügung. Für Deutschland stehen Mittel von jährlich 4,5 Millionen Euro bereit. Davon werden Fahrtkostenzuschüsse, Taschengeld und Betreuung bezahlt. Ab kommendem Jahr wird das Budget auf 9,4 Millionen Euro aufgestockt. Die Nachfrage sei vorhanden, so Klünter. Wenn mehr Mittel zur Verfügung stünden, könne die Warteliste abgebaut werden. Das von der EU-Kommission angestrebte Ziel, bis 2020 rund 100 000 jungen Menschen zwischen 18 und 30 Jahren erste Berufserfahrungen im Ausland zu vermitteln, hält er für realistisch.“
Petra Kammerevert, jugendpolitische Sprecherin der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, steht der Initiative äußerst skeptisch gegenüber. „Junckers Vision eines Solidaritätskorps deckt sich an vielen Stellen mit Bestandteilen des Europäischen Freiwilligendienstes. Es würde beiden Projekten schaden, wenn sie in Konkurrenz zueinander stünden“, befürchtet die Europaabgeordnete. Ein Blick auf die Webseiten scheint diese Bedenken zu bestätigen. https://www.go4europe.de/ und https://europa.eu/youth/solidarity/mission_de scheinen mit unterschiedlichen Mitteln für dasselbe Produkt zu werben. Die neue Initiative kommt etwas flotter daher und schmückt sich mit dem Slogan: „Wir kümmern uns. Wir handeln.“
Ob es gelingt, Europas Jugend dadurch wieder mehr für die europäische Idee zu erwärmen, wird man erst in ein paar Jahren wissen. Doch ist es für einen Staatenverbund, der Solidarität und Menschenrechte zu seinen Markenzeichen zählt, ganz sicher kein schlechtes Konzept, auf den Enthusiasmus und die Neugier junger Menschen zu bauen.