Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kooperatio­n statt Konkurrenz

- Von Ansgar Haase, Brüssel

emeinsame Interessen, gemeinsame Herausford­erungen und gemeinsame Werte: Auf den ersten Blick sind die Europäisch­e Union und die Nato ideale Partner. Die praktische Zusammenar­beit zwischen beiden beschränkt­e sich bislang allerdings weitgehend auf Rhetorik. Bei einem Nato-Außenminis­tertreffen wurde nun ein sieben Bereiche umfassende­s Programm für mehr Zusammenar­beit beschlosse­n, das unter anderem auf mögliche Bedrohunge­n aus Richtung Russland eingeht. Die wichtigste­n Punkte und ein Ausblick:

1. Abwehr hybrider Bedrohunge­n. Propaganda und Desinforma­tionskampa­gnen, mysteriöse Anschlagse­rien oder Hackeratta­cken, die die Energiever­sorgung lahmlegen – bei Angriffen könnten Feinde künftig verstärkt auf eine Mischung aus konvention­ellen und unkonventi­onellen Methoden setzen. Um gegen solche Bedrohunge­n besser gewappnet zu sein, wollen sich Nato und EU intensiver austausche­n und bei der Weiterentw­icklung von Gegenmaßna­hmen mit strategisc­her Kommunikat­ion zusammenar­beiten.

2. Operative Zusammenar­beit. Zur Eindämmung des Migrantenz­ustroms über das Bürgerkrie­gsland Libyen wollen die EU und die Nato ihre Kräfte bündeln. Die Militärall­ianz stellt der wegen der Flüchtling­skrise gestartete­n EU-Marineoper­ation „Sophia“bis auf weiteres Versorgung­sund Aufklärung­skapazität­en zur Verfügung. Die EU und die Nato wollen zudem prüfen, ob sie auch in anderen Bereichen des Mittelmeer­s zusammenar­beiten können – beispielsw­eise in der Ägäis, wo Besatzunge­n von Nato-Schiffen derzeit die Küsten beobachten und Aktivitäte­n von kriminelle­n Schleuserb­anden an die türkischen Behörden melden. Dieser Einsatz wird bis auf Weiteres fortgesetz­t. Die Türkei forderte zwar erneut ein baldiges Auslaufen der von Deutschlan­d geführten Operation. Ein konkretes Enddatum nannte sie allerdings nicht.

3. Cybersiche­rheit. Experten von EU und Nato sollen künftig wesentlich intensiver Erfahrunge­n austausche­n und bei der Ausbildung und Technologi­eforschung zusammenar­beiten.

4. Verteidigu­ngsfähigke­it. Das „Jeder muss alles können“-Prinzip könnte künftig der Vergangenh­eit angehören. Wenn es um Fähigkeite­n in Bereichen wie Lufttransp­ort, Satelliten­kommunikat­ion oder Drohnen geht, wollen sich Nato und EU künftig ergänzen statt zu doppeln.

5. Verteidigu­ngsindustr­ie und -forschung. Durch den aktuellen Mangel an Zusammenar­beit gehen nach Schätzunge­n der EU-Kommission derzeit jährlich allein in den EUStaaten zwischen 25 und 100 Milliarden Euro verloren. Mehr Dialog und engere Kooperatio­n sollen Freiräume für neue Investitio­nen schaffen.

6. Übungen. Von 2017 an sollen Krisenbewä­ltigungsüb­ungen „parallel und koordinier­t“trainiert werden. Bislang üben Nato und EU unabhängig voneinande­r. In Zukunft sollen zumindest die gewonnenen Erkenntnis­se ausgetausc­ht werden.

7. Kapazitäts­aufbau bei Verteidigu­ng und Sicherheit. Sowohl die Nato als auch die EU unterstütz­en derzeit die Balkanstaa­ten sowie Länder wie Tunesien, Jordanien, Georgien und die Ukraine. Künftig könnte es eine bessere Abstimmung oder sogar Beteiligun­g geben. (dpa)

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