Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Fast so alt wie das Kino
Meist war er Schurke, manchmal Held: Zum 100. Geburtstag von Kirk Douglas
ls er geboren wurde, war Film schwarz-weiß, stumm und wurde mit der Handkurbel gedreht: Kino-Legende Kirk Douglas wird am 9. Dezember 100 Jahre alt.
Das muss man ja erst mal schaffen – mit 94 eine Oscarverleihung aufmischen. Kirk Douglas ist 94, als er 2011 den Oscar für die beste Nebendarstellerin überreichen soll. Flirtet mit Anne Hathaway („Wo warst du, als ich aktiv war?“), macht sich über Hugh Jackman und Colin Firth lustig, flirtet mit Gewinnerin Melissa Leo. „Du siehst aber auch nicht schlecht aus“, sagt sie. „Was machst du denn später so?“Das Publikum ist entzückt.
Denn der da vorne steht, verwittert, aber ungebeugt, ist nichts weniger als eine Legende. Und auch im hohen Alter sieht man in seinem hageren Gesicht sein Markenzeichen: sein Grübchen am Kinn. Noch 2012, als er vor Grauman’s Chinese Theater in Hollywood zum zweiten Mal seine Handflächen im Beton verewigt hat, hat er auch sein markantes Kinn in den grauen Zement gedrückt.
Als Issur Danielowitsch Demsky kommt Kirk Douglas am 9. Dezember 1916 zur Welt – in Europa tobt der Krieg, regieren noch Kaiser. Seine Eltern sind jüdische Einwanderer aus Homel in Weißrussland, sprechen Jiddisch, so dass auch ihr Sohn später einmal gut Deutsch spricht. Er wächst in einem New Yorker Armenviertel auf, verdient sich Schule und College selbst, geht an die Universität und entdeckt seine Leidenschaft fürs Theater, den Broadway.
Als Filmschauspieler ist er ein Spätstarter. Er debütiert 1946, da ist er schon 30, an der Seite der großen Barbara Stanwyck in „Die seltsame Liebe der Martha Ivers“, schwarze Serie, wie viele von Douglas‘ Filmen in dieser Zeit. Meist ist er Schurke, manchmal Held, und schon 1949 erhält er seine erste Oscarnominierung – gewinnen wird er allerdings, nach zwei weiteren Nominierungen, erst 1996 einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk. Bis 2008 dreht er Film um Film, drei, vier im Jahr, rast- und ruhelos, nicht jeder übersteht die Zeitläufte.
Aber es sind auch die dabei, die Bestand haben: Western wie „Mit stahlharter Faust“und „Zwei rechnen ab“(beide 1957), „Der letzte Zug von Gun Hill“(1959) oder „Einsam sind die Tapferen“(1962) – alles Filmtitel wie in Stein gemeißelt. 1956 macht er weltweit Eindruck als Vincent van Gogh in John Hustons Biografie, mit Billy Wilder hat er das Drama „Reporter des Satans“gedreht und zwischendurch immer wieder Sandalenfilme wie „Die Wikinger“oder „Die Fahrten des Odysseus“.
Früh Stanley Kubrick gefördert Und dann seine beiden Klassiker, beide unter der Regie des monomanen Stanley Kubrick: 1957 in „Wege zum Ruhm“, in der er den integren französischen Colonel Dax spielt, der im Ersten Weltkrieg miterleben muss, wie seine Truppen sinnlos verheizt werden, 1960 in „Spartacus“, ja, auch ein Sandalenfilm, aber eben von einem Kubrick. Douglas ist auch ausführender Produzent, der den noch jungen Regisseur verpflichtet, und er holt Dalton Trumbo als Autor an Bord, der auf der schwarzen Liste steht, weil er als Kommunist verdächtigt wird. Damit festigt er sein Image, ein Linker in Hollywood zu sein. Was er nicht abstreitet.
Und noch einen Welterfolg setzt er auf die Schiene. Er erwirbt die Rechte am 1962 von Ken Kesey geschriebenen Roman „Einer flog über das Kuckucksnest“, spielt am Broadway die Hauptrolle in der Theaterfassung (zum Cast gehört übrigens auch ein gewisser Gene Wilder). Doch Douglas findet kein Studio, das sich an die Verfilmung traut; er überlässt die Rechte seinem Sohn Michael, der den Film dann 1975 produzieren kann. Da ist sein Vater dann zu alt für die Rolle des McMurphy – Jack Nicholson räumt den Oscar ab.
Kirk Douglas lebt seit vielen Jahren zurückgezogen in Beverley Hills, an der Seite seiner zweiten Frau, der gebürtigen Deutschen Anne Buydens. Er hat einen Hubschrauber-Absturz mit zwei Toten überlebt, einen Schlaganfall, erst vor wenigen Tagen eine falsche TwitterMeldung über seinen Tod. Auch im hohen Alter bleibt er sozial und politisch engagiert, finanziert aus einer Stiftung Kindergärten, ein Obdachlosen-Wohnheim und Krankenhäuser. Seine Wurzeln hat er nie vergessen: Noch vor wenigen Monaten hat er den Teddy-Kollek-Preis des Jüdischen Weltkongresses für sein Engagement für die jüdische Kultur erhalten. Kirk Douglas, der fast so alt ist wie das Kino, wird nun einhundert Jahre alt – was für ein Leben!