Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Reisch hat Vertrauen in Stadt Ravensburg verloren
Bad Saulgauer Bauträger tritt dem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum noch nicht bei – Ergänzungen erwünscht
RAVENSBURG - Der Bad Saulgauer Bauträger Reisch, der in der östlichen Vorstadt rund 300 Wohnungen bauen will, wird das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum erst einmal nicht unterzeichnen. Grund: Das Vertrauensverhältnis zur Stadt Ravensburg ist „massiv“beschädigt, erklärt Ingo Traub, Geschäftsführer der Reisch-Projektentwicklung.
Wie die SZ berichtete, hat der Ausschuss für Umwelt und Technik sich vor wenigen Wochen quergestellt, als es darum ging, das bislang als Gewerbegebiet ausgewiesene, rund 30 000 Quadratmeter große Rinker-Areal zwischen Holbein- und Wangener Straße in ein Wohngebiet umzuwidmen. Bis Ende 2017 hat die Firma Vetter das Gelände noch gepachtet. Die vergangenen 18 Monate habe man mit dem Eigentümer über den Verkauf verhandelt und dabei auch zahlreiche Gespräche mit der Stadtverwaltung geführt, so Traub – doch nie sei dabei das WohnraumBündnis erwähnt oder man zu dessen Mitgestaltung eingeladen worden. Stattdessen beschloss der Gemeinderat am 7. November, dass das Bündnis auch rückwirkend greifen soll: „Davon wurden wir völlig überrascht“, sagt Traub. In Sachen Rinker-Areal muss nun komplett neu verhandelt werden. Bis zur Bündnisunterzeichnung am 13. Dezember sei es unmöglich, das Bebauungskonzept „an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen“.
Innovative Wohnkonzepte Grundsätzlich hält man das Ganze bei Reisch aber für den „richtigen Ansatz“. Und: „Als regionaler Bauträger sind wir uns unserer sozialen Verantwortung bewusst“, macht Traub deutlich. Allerdings will man sich Käufer oder Mieter, sofern sie einen Wohnberechtigungsschein (WBS) besitzen, selbst aussuchen und nicht von der Stadt vorsetzen lassen – sei das oberste Ziel insbesondere auf dem Rinker-Areal doch, „langfristig ein sozial- und umweltverträgliches Wohnquartier für sämtliche Bewohner sicherzustellen“. Dafür wolle man das Nutzungskonzept in der Hand behalten, denn „ein verkehrter Mieter kann alles kaputt machen“, glaubt Traub.
Auch innovative Wohnkonzepte wie etwa rund 30 Quadratmeter große Mikro-Apartments, in denen ein Wasserhahn im Bad beispielsweise für Waschbecken und Badewanne gleichzeitig dient, sollen in dem Bündnis berücksichtigt werden. Diesbezüglich denkt man bei Reisch auch an Senioren-WGs oder Mehrgenerationenhäuser – allesamt Varianten, die mit sinnigen Grundrissen günstige Monatsmieten möglich machen. Traub legt zudem Wert darauf, im Wohnraum-Bündnis zu verankern, dass auch einkommensschwache Haushalte Wohnungen kaufen (und nicht nur mieten) können.
Benennungs- statt Belegungsrecht Mit derartigen Erweiterungen will der Projektentwicklungsleiter das Machwerk nicht verwässern, sondern „ausgestalten“– womit er zumindest bei Baubürgermeister Dirk Bastin offene Türen einrennt: Natürlich, räumt dieser ein, lasse das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum „Spielraum für Weiterentwicklung“, das hätten andere Städte ebenso gehandhabt. Außerdem wolle man den Bauträgern mitnichten vorschreiben, an wen sie günstig vermieten sollen: Nirgendwo stehe etwas von Belegungsrecht, wie fälschlicherweise oft behauptet werde – es gehe lediglich um ein Benennungsrecht. Die Stadt schlage Mieter vor, die aufgrund ihres überschaubaren Einkommens einen WBS besitzen.
Viele können WBS beantragen Ein solcher Nachweis hat mit Hartz IV nichts zu tun und wird nicht etwa vom Sozialamt, sondern von dem im Technischen Rathaus angesiedelten Amt für Architektur und Gebäudemanagement (AGM) ausgestellt. Viele wüssten es zwar nicht, aber laut Bastin habe rund ein Drittel der Bevölkerung ein Anrecht auf einen solchen Schein. Je nach Region und familiärer Situation könnten das neben Senioren, Studenten oder Alleinerziehenden auch Einzelpersonen bis zu einer Einkommensgrenze von 40 000 Euro oder eine vierköpfige Familie sein, in der der Vater etwa 60 000 Euro verdiene, erläutert der Baubürgermeister. Mit dem Wohnraum-Bündnis werde es nun interessant, sich zu den Voraussetzungen für einen Berechtigungsschein schlauzumachen und diesen auch tatsächlich zu beantragen.
Und was hat ein Bauträger davon, wenn er aktiv im Bündnis mitmacht? Bastin sagt: Der Gemeinderat könnte Bonbons verteilen. Etwa in der Form, dass die Stadtverwaltung nicht wie üblich ihre Bauleitplanung in Rechnung stellt.
Unabhängig davon bekommen die Räte das Thema Wohnbebauung des Rinker-Areals Mitte nächsten Jahres nochmals zur Entscheidung vorgelegt.
Das Ravensburger Bündnis für bezahlbaren Wohnraum schreibt fest, dass in jedem neuen Bauprojekt ab zehn Wohneinheiten 20 Prozent der Fläche 15 Jahre lang mindestens 14 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete anzubieten sind. Ähnliche Vereinbarungen gibt es in Stuttgart, München, Münster, Freiburg oder Konstanz. Das Problem, dass für schwächere Einkommensgruppen erschwingliche Mietwohnungen auf dem Markt fehlen, ist laut Bastin in den vergangenen fünf Jahren in vielen Städten aufgekommen. Anderswo würden die Bauträger gar dazu verpflichtet, einen Teil der Mietfläche bis zu 30 Prozent günstiger zu vermieten.