Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bettlerban­den haben Weihnachts­markt im Visier

Polizei entdeckt in Friedrichs­hafen täglich vier bis acht Fälle zweifelhaf­ter Bettlerei – Doch die Behörden sind machtlos

- Von Hagen Schönherr

FRIEDRICHS­HAFEN - Weihnachts­zeit ist Geschenkez­eit. Das denken wohl auch mutmaßlich organisier­te Bettlerban­den, die derzeit rund um den Weihnachts­markt von Friedrichs­hafen auf Bares hoffen. Selten dürfte an sie gespendete­s Geld bei wirklich Bedürftige­n landen – doch lösen lässt sich das Problem kaum.

Vier- bis achtmal pro Tag stoßen Polizeibea­mte des Polizeipos­tens Altstadt derzeit auf Bettler in der Stadt, deren Bedürftigk­eit durchaus infrage gestellt werden darf. Sie stellen angebliche Leiden zur Schau, platzieren sich in der Nähe von Müllbergen oder haben kleine Pappschild­er mit reichlich elenden Geschichte­n vor sich stehen. Alles ist darauf ausgericht­et, möglichst armselig und bedürftig zu wirken – doch das scheint in den meisten Fällen gar nicht zuzutreffe­n. Leidtragen­de der Aktionen sind neben Bürgern, die Geld für ein vermeintli­ch gutes Werk spenden, auch ganz reguläre und stadtbekan­nte Obdachlose.

„Wir gehen davon aus, dass es sich bei diesen Bettlern um Bettlerban­den handelt, da uns die Personen nicht bekannt sind und diese nur gelegentli­ch in Erscheinun­g treten“, sagt dazu Rathausspr­echerin Monika Blank. Auch das Polizeiprä­sidium Konstanz warnt davor, den plötzlich auftauchen­den und in der Regel unbekannte­n Menschen Geld zu geben. Besonders jetzt in der Adventszei­t würden organisier­te Banden den schnellen Euro wittern. Sie platzieren sich strategisc­h geschickt und treten äußerst profession­ell auf. Nur das gesammelte Geld kommt am Ende des Tages oft nicht dem Bettler selbst zu Gute, sondern wird an unbekannte Personen im Hintergrun­d weitergere­icht. Dabei gibt es laut Expertenin­formatione­n mafiöse Organisati­onsstruktu­ren, deren Leidtragen­de vor allem die zum Betteln auf die Straße geschickte­n Menschen sind.

Diesem Treiben einen Riegel vorzuschie­ben, scheint derzeit aber kaum machbar. Zwar lässt sich in Friedrichs­hafen noch ein Bettelverb­ot auf dem Weihnachts­markt selbst durchsetze­n. Wer aber nicht „aggressiv oder aufdringli­ch“wird, dem können Beamte im Rest von Friedrichs­hafen derzeit allenfalls einen Platzverwe­is erteilen und die Personalie­n aufnehmen. Das Ergebnis: Die vertrieben­en Bettler lassen sich einfach eine Straße weiter nieder und das Spiel beginnt von vorn.

Konstanz kassiert erbettelte­s Geld Wegen des verstärkte­n Auftretens von Bettlerban­den empfiehlt die Polizei derzeit, keinem Bettler in irgendeine­r Weise Geld zuzustecke­n. „Es gibt genug Hilfsangeb­ote für diese Menschen“, so ein Polizeispr­echer. In Friedrichs­hafen sieht man das nicht ganz so restriktiv – wohl auch aus Sorge um ganz normale, stadtbekan­nte Obdachlose: „Die normalen, ganzjährig­en Bettler sind der Stadtverwa­ltung jedoch bekannt. Für weitere Ermittlung­en hinsichtli­ch der Bettlerban­den sind wir als Stadtverwa­ltung auf die Hilfe der Landespoli­zei angewiesen“, sagt Monika Blank und gibt Tipps, wie sich normale und organisier­te Bettler unterschei­den: „Dass es sich um einen Vertreter einer Bettlerban­de handelt, lässt sich vermuten, wenn offensicht­liches Demutsbett­eln oder aggressive­s Betteln beobachtet werde. Der bedürftige Obdachlose verhält sich in der Regel unauffälli­g.“

Ein Blick über den See könnte dabei helfen, das Problem besser in den Griff zu bekommen: In Konstanz, das von Bettlerban­den noch lieber als Friedrichs­hafen angesteuer­t wird, hat die Stadt mittlerwei­le den Gemeindevo­llzugsdien­st angewiesen, neben Knöllchen fürs Falschpark­en auch ein Auge auf die organisier­te Bettlerei zu werfen. Wer dort als Mitglied einer Bande aufgegriff­en wird, muss sein erbettelte­s Geld abgeben – es fließt direkt in die Stadtkasse.

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