Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine fruchtbare Beziehung
Boris Becker und Novak Djokovic gehen getrennte Wege, die gemeinsamen Jahre waren für beide ein Gewinn
FRANKFURT (dpa/sz/SID) - Als die „unglaubliche Reise“mit Novak Djokovic 2013 begann, nahmen viele Menschen in Deutschland Boris Becker nicht mehr für voll. Zwischenmenschliche Eskapaden, lächerliche Fernsehauftritte und etliche fragwürdige Beiträge in sozialen Netzwerken hatten aus dem einstigen Helden der Nation „Old Twitterhand“werden lassen und ihn in seinem Heimatland viel Reputation gekostet. Zweieinhalb Jahre später, am Ende der Reise mit dem serbischen Ausnahmespieler, hat Becker den Respekt aller zurückgewonnen. In Djokovics Diensten brachte sich dreifache Wimbledonsieger nicht nur als ausgewiesener Tennisfachmann in Erinnerung, sondern erwies sich auch als hochseriöser, loyaler Teamarbeiter, der sich zurückzunehmen weiß.
Nach der am Dienstagabend bekannt gegebenen Trennung kam der 49-Jährige erstmals ein wenig aus der Deckung. Nach zweieinhalb Jahren fruchtbarster Zusammenarbeit mit großen Titeln und Triumphen sei für den Serben dann doch der Moment gekommen, die Prioritäten etwas anders zu setzen. „Er hat in den vergangenen sechs Monaten nicht so viel Zeit auf dem Trainingsplatz verbracht, wie er das hätte tun sollen, und das weiß er“, sagte Becker dem britischen Fernsehsender Sky Sports. Auf Twitter postete Becker ein Foto von der Siegesfeier in Paris im Sommer diesen Jahres. Es war ein Moment, der die Zusammenarbeit der beiden nachhaltig beeinträchtigen sollte. „Die letzten sechs Monate waren sehr herausfordernd. Das lag auch daran, dass er sich seinen lebenslangen Traum erfüllt hat mit seinem Titel bei den French Open“, erklärte Becker am Mittwoch.
Der Job ist erledigt In der Folge wollte der 29 Jahre alte Serbe mehr Zeit mit seiner Frau Jelena und seiner Familie verbringen. „Das war es, was er als Mann tun musste. Aber das macht es nicht einfacher für die Trainer“, sagte Becker. Sportlich ging es in der Folge bergab – Djokovic gewann kein weiteres Grand-Slam-Turnier mehr und verlor die Spitzenposition in der Weltrangliste an Andy Murray. Die gemeinsame Zeit davor aber übertraf alle Erwartungen. „2013 hätte ich diese Bilanz definitiv unterschrieben“, teilte Becker mit. Der Job der beiden sei nun „erledigt“.
Die Entscheidung, in Zukunft getrennte Wege zu gehen, sei „nicht über Nacht gefallen“und sei ein gemeinsamer Entschluss gewesen, berichtete Becker. Djokovics Nähe zum spanischen Mentaltrainer Pepe Imaz, einem ehemaligen Profi mit eigener Akademie in Marbella, soll das Ende der Zusammenarbeit mit Becker beschleunigt haben. Die „Sport Bild“berichtete, dass Becker und Djokovics langjähriger Trainer Marian Vajda nicht bereit waren, Seite an Seite mit Imaz zu arbeiten. Dessen Konzept von „Liebe und Frieden“, Spiritualität und Meditation hat Djokovic jedoch offensichtlich stärker angezogen als Beckers leistungsorientierter Ansatz.
Becker selbst geht definitiv gestärkt aus der sportlichen Liaison mit hervor und hat sich in der Branche für weitere Aufgaben empfohlen. „Boris hat einen Riesenjob gemacht und einen großen Anteil an Novaks Erfolgen. Beide werden für ihre Zukunft extrem viel mitnehmen“, sagte der ehemalige Davis-Cup-Kapitän Patrick Kühnen bei Sky.
Beckers erstes Engagement wurde schon am Mittwoch offiziell: Er wird bei den Australian Open in Melbourne als Experte für den Fernsehsender Eurosport arbeiten. Für Djokovic ist Becker trotz allem bester Dinge: „Ich bin mir sicher, dass er sich wieder fokussieren wird. Die Niederlagen hat er gebraucht, weil er das in den zwei Jahren zuvor nicht hatte.“Becker versicherte, von der kommenden Saison an Djokovics „erster Fan“zu sein.