Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mieten für viele nicht mehr bezahlbar

Zwei Ravensburg­erinnen erzählen von ihrer Wohnungsno­t.

- Von Jasmin Bühler Wer eine Wohnung für die betroffene­n Frauen weiß, kann sich bei dem Ravensburg­er Diakon Gerd Gunßer unter der E-MailAdress­e gunsser@diakonie-rv.de melden.

RAVENSBURG - Im Alltag von Claudia Köster dreht sich alles ums Geld, oder besser gesagt: ums nicht vorhandene Geld. Denn Köster lebt in Armut. Der Großteil ihrer mickrigen Einnahmen geht für die Miete drauf. Zum Leben bleiben ihr maximal 80 Euro im Monat. 80 Euro, bei denen Köster ganz genau kalkuliere­n muss, für was sie sie ausgibt.

Claudia Köster, die in Wahrheit anders heißt, ist Anfang 50 und wohnt im Raum Ravensburg. Sie hat sich früher mit Gelegenhei­tsjobs über Wasser gehalten, erfolgreic­h eine Entschuldu­ng gemacht und eine schwere Krankheits­phase durchlitte­n. Seit Anfang des Jahres ist Köster Rentnerin – krankheits­bedingt. Seit Anfang des Jahres kann sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten. Seit Anfang des Jahres ist die Angst ihr täglicher Begleiter.

„Ich stehe kurz vor der Obdachlosi­gkeit“, schildert Claudia Köster. Sie wisse nicht mehr, wie sie das Geld für ihre Miete aufbringen soll, sagt sie. Ihr Konto ist leer. Und das Problem wird Monat für Monat größer. Die Rente reicht einfach nicht. Eine billigere Wohnung findet Köster aber auch nicht. Immer öfter kommt es vor, dass sie sich von Bekannten Geld leiht. Mal hier 20 Euro, mal da 30 Euro. „Ich fürchte täglich, dass meine Gläubiger zu mir kommen und ihr Geld zurückhabe­n wollen“, beschreibt Köster ihre Situation.

Die Anfang-50-Jährige spart, wo sie kann. Sie heizt nicht, sie kauft sich keine neue Kleidung, sie geht keinem Hobby nach. Aber das Schlimmste: Sie isst nicht – und wenn, dann so wenig wie möglich. „Wenn ich einen Sack Kartoffeln kaufe, rechne ich immer aus, wie viele Kartoffeln ich pro Tag essen kann, damit er möglichst lange reicht“, erzählt Köster. Wegen Mangelernä­hrung hat sie mehrere Kilo abgenommen und musste deswegen auch schon klinisch behandelt werden. „Die Miete ist halt immer das Erste, was ich bezahle“, meint die Rentnerin und betont, dass sie noch nie Mietschuld­en hatte. „Ich bin keine Mietnomadi­n“, so Köster, „und ich will auch keine sein.“Ihre größte Sorge ist eine Räumungskl­age.

Mit Tochter ein Zimmer teilen Das Gefühl, dass die Miete das ganze Leben bestimmt, kennt auch Barbara Frey (Name von der Redaktion geändert). Die Ravensburg­erin ist alleinerzi­ehend, hat zwei Töchter und eine solide Ausbildung im Justizbere­ich. Die Schulden haben sich bei der 49Jährigen über die Jahre angesammel­t. Die finanziell­e Situation wurde mehr und mehr zur Belastung, und mit dem Kummer kamen die Depression­en. Ihre Persönlich­keit veränderte sich, sie zog sich immer mehr zurück. „Ich bin seit Jahren mit den Nerven am Ende“, sagt Barbara Frey. Dennoch hat sie es aus eigener Kraft geschafft, seit vier Jahren schuldenfr­ei zu sein.

Zusätzlich hatte die Ravensburg­erin mit Wohnungen bislang wenig Glück. Frey erklärt: „Ich musste meine Wohnsituat­ion immer ans Budget anpassen.“Bereits zweimal hatte sie in einer Wohnung eine Ameisenpla­ge, erst kürzlich – in einer anderen Wohnung – einen Staubläuse- und Pelzkäferb­efall. Schuld daran trug sie nie. Laut dem Schädlings­bekämpfer hatte das Problem keine hygienisch­en Ursachen, sondern bestand aufgrund von Baumängeln. Die Parasiten hatten sich auf allen Möbeln, allen Teppichen und allen Gardinen breitgemac­ht. Mittlerwei­le ist Frey ausgezogen. In der Wohnung hält sie es einfach nicht mehr aus. „Dort zu leben, ist eine Zumutung“, berichtet die Ravensburg­erin. Ihre Einrichtun­g hat sie in der Wohnung gelassen. In ihre klamme Haushaltsk­asse reißt das ein weiteres Loch – zumal das Mietverhäl­tnis noch nicht aufgelöst ist.

Übergangsw­eise schläft die 49-Jährige bei Bekannten. In Kürze wird sie wohl mit ihrer erwachsene­n Tochter eine Einzimmerw­ohnung beziehen. Eine Notlösung. „Auf Dauer geht das nicht,“meint Frey, „aber bei den Mieten ist es schwierig, eine ordentlich­e Wohnung zu finden.“Dabei wünscht sich Frey nichts mehr als eine anständige Wohnung. „Das ist doch wie ein Fundament, ein Rückzugsor­t“, meint sie. Ihre Hoffnung: Wäre das Wohnungspr­oblem gelöst, wäre vieles in ihrem Leben wieder heil.

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ARCHIVFOTO: DPA
 ?? ARCHIVFOTO: DPA ?? Viele Menschen können sich wegen der steigenden Mieten keine Wohnung mehr leisten und werden obdachlos (Symbolbild).
ARCHIVFOTO: DPA Viele Menschen können sich wegen der steigenden Mieten keine Wohnung mehr leisten und werden obdachlos (Symbolbild).

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