Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Forscher wollen Betonkugel aus dem Bodensee holen

Versuch zur Speicherun­g von erneuerbar­en Energien soll später im offenen Meer fortgesetz­t werden

- Von Nadine Sapotnik

ÜBERLINGEN - Wissenscha­ftler vom Fraunhofer-Institut für Windenergi­e und Energiesys­temtechnik haben am Donnerstag­mittag damit begonnen, eine Betonkugel mit einem Durchmesse­r von drei Metern aus dem Bodensee vor Überlingen zu hieven. Damit endet ein mehrwöchig­er Modellvers­uch, bei dem die Forscher herausfind­en wollten, wie Strom aus erneuerbar­en Energien vor Ort gespeicher­t werden kann. „Die Versuche sind gut gelaufen und die Ergebnisse zu unserer vollsten Zufriedenh­eit“, sagt Matthias Puchta, Projektlei­ter vom Fraunhofer-Institut in Kassel.

Etwa hundert Meter vom Überlinger Bodenseeuf­er entfernt, auf Höhe des Campingpla­tzes, ließen die Wissenscha­ftler die Kugel Mitte November ins Wasser. Auf Luftkissen wurde sie über den See gezogen und dann versenkt. Die Stelle wählte das Team, weil sie zum einen nah am Ufer ist und zum anderen mit einer Tiefe von hundert Metern recht tief ist. „Eine kurze Verbindung zum Festland war wegen der Technik sehr wichtig für uns“, sagt Puchta.

Über einen Computer an Land führten die Wissenscha­ftler immer wieder Tests mit zwei unterschie­dlichen Betriebswe­isen durch. Mit dem Ergebnis, dass beide Betriebswe­isen funktionie­ren und die Forscher alle Messdaten haben, die sie für das Weiterführ­en des Projekts benötigen. Der Modellvers­uch im Bodensee ist der erste seiner Art. „Wir haben den Versuch vorher genau berechnet und simuliert, aber nie in der Tiefe probiert“, sagt Puchta. Die Betonkugel hat ein Gewicht von rund 20 Tonnen und ist innen hohl. Sie funktionie­rt nach dem Prinzip eines Pumpspeich­erkraftwer­ks: Wasser, das einströmt, treibt eine Turbine an, die Strom erzeugt. Bei einem Überschuss an elektrisch­er Leistung wird das Wasser aus der Kugel gepumpt.

Der Modellvers­uch soll ermögliche­n, Kugeln mit 30 Metern Durchmesse­r im Meer bei einer Tiefe von 600 bis 800 Metern zu versenken. Erst dann sei das Prinzip laut Puchta wirtschaft­lich. Demnach könnte gewonnene Energie von Off-Shore Windparks in unmittelba­rer Nähe im Meer gespeicher­t und bei Bedarf wieder abgegeben werden. Bisher stellt das Speichern von erneuerbar­en Energien ein zentrales Problem dar. Die Forschergr­uppe sieht ein großes Potenzial für die Anwendung der Technologi­e vor den Küsten von bevölkerun­gsreichen Regionen, wie Spanien, den USA oder Japan.

Einsatz in fünf Jahren im Meer möglich Puchta rechnet damit, dass die erste Kugel in fünf Jahren im Meer versenkt werden könnte. „Das braucht viel Vorbereitu­ngszeit und noch viele Schritte bis zur Umsetzung“, sagt er. Die Betonkugel aus dem Bodensee soll nach dem Heben zurück nach Kassel in eines der Labore des Fraunhofer-Instituts gebracht werden. In den kommenden Wochen wollen die Forscher die Messdaten detaillier­t auswerten, um anschließe­nd Forschungs­schritte in Richtung 30-Meter-Kugel zu machen.

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FOTO: DPA Vier Wochen lang lag die Betonkugel auf dem Grund des Bodensees vor Überlingen. Nach dem Heben soll sie in Kassel im Labor des Fraunhofer-Instituts untersucht werden.

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