Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Forscher wollen Betonkugel aus dem Bodensee holen
Versuch zur Speicherung von erneuerbaren Energien soll später im offenen Meer fortgesetzt werden
ÜBERLINGEN - Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik haben am Donnerstagmittag damit begonnen, eine Betonkugel mit einem Durchmesser von drei Metern aus dem Bodensee vor Überlingen zu hieven. Damit endet ein mehrwöchiger Modellversuch, bei dem die Forscher herausfinden wollten, wie Strom aus erneuerbaren Energien vor Ort gespeichert werden kann. „Die Versuche sind gut gelaufen und die Ergebnisse zu unserer vollsten Zufriedenheit“, sagt Matthias Puchta, Projektleiter vom Fraunhofer-Institut in Kassel.
Etwa hundert Meter vom Überlinger Bodenseeufer entfernt, auf Höhe des Campingplatzes, ließen die Wissenschaftler die Kugel Mitte November ins Wasser. Auf Luftkissen wurde sie über den See gezogen und dann versenkt. Die Stelle wählte das Team, weil sie zum einen nah am Ufer ist und zum anderen mit einer Tiefe von hundert Metern recht tief ist. „Eine kurze Verbindung zum Festland war wegen der Technik sehr wichtig für uns“, sagt Puchta.
Über einen Computer an Land führten die Wissenschaftler immer wieder Tests mit zwei unterschiedlichen Betriebsweisen durch. Mit dem Ergebnis, dass beide Betriebsweisen funktionieren und die Forscher alle Messdaten haben, die sie für das Weiterführen des Projekts benötigen. Der Modellversuch im Bodensee ist der erste seiner Art. „Wir haben den Versuch vorher genau berechnet und simuliert, aber nie in der Tiefe probiert“, sagt Puchta. Die Betonkugel hat ein Gewicht von rund 20 Tonnen und ist innen hohl. Sie funktioniert nach dem Prinzip eines Pumpspeicherkraftwerks: Wasser, das einströmt, treibt eine Turbine an, die Strom erzeugt. Bei einem Überschuss an elektrischer Leistung wird das Wasser aus der Kugel gepumpt.
Der Modellversuch soll ermöglichen, Kugeln mit 30 Metern Durchmesser im Meer bei einer Tiefe von 600 bis 800 Metern zu versenken. Erst dann sei das Prinzip laut Puchta wirtschaftlich. Demnach könnte gewonnene Energie von Off-Shore Windparks in unmittelbarer Nähe im Meer gespeichert und bei Bedarf wieder abgegeben werden. Bisher stellt das Speichern von erneuerbaren Energien ein zentrales Problem dar. Die Forschergruppe sieht ein großes Potenzial für die Anwendung der Technologie vor den Küsten von bevölkerungsreichen Regionen, wie Spanien, den USA oder Japan.
Einsatz in fünf Jahren im Meer möglich Puchta rechnet damit, dass die erste Kugel in fünf Jahren im Meer versenkt werden könnte. „Das braucht viel Vorbereitungszeit und noch viele Schritte bis zur Umsetzung“, sagt er. Die Betonkugel aus dem Bodensee soll nach dem Heben zurück nach Kassel in eines der Labore des Fraunhofer-Instituts gebracht werden. In den kommenden Wochen wollen die Forscher die Messdaten detailliert auswerten, um anschließend Forschungsschritte in Richtung 30-Meter-Kugel zu machen.