Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nach dem historisch­en Bund-Länder-Kompromiss der große Frust

Beide Seiten werfen sich seit Tagen vor, sich nicht an die Abmachunge­n zu halten

- Von Rasmus Buchsteine­r

BERLIN - Am Morgen noch hatte das Bundeskanz­leramt neue Vorschläge geschickt: Formulieru­ngen für Grundgeset­zänderunge­n, die helfen sollten, dass im Oktober vereinbart­e Milliarden­paket zur Reform der Bund-Länder-Finanzen endlich unter Dach und Fach zu bringen. Doch wie so oft gilt: Alles hängt mit allem zusammen und der Teufel steckt im Detail.

Von der geplanten Autobahnge­sellschaft über die Flüchtling­spolitik und den Unterhalts­vorschuss für Alleinerzi­ehende bis hin zu den Überlegung­en von Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für eine schärfere Kontrolle der Länderhaus­halte reichte die lange Liste der Streitpunk­te. „Die Positionen sind noch weit auseinande­r“, heißt es am Nachmittag aus Länderkrei­sen. Die Verärgerun­g über das Vorgehen des Bundes sei groß. Der Bund wolle über das bereits Vereinbart­e weit hinausgehe­n. „Das geht so nicht“, erklärte Mecklenbur­g-Vorpommern­s Regierungs­chef Erwin Sellering (SPD), derzeit Chef der Ministerpr­äsidentenk­onferenz.

Mitte Oktober hatte es so ausgesehen, als seien die Reform der Bund-Länder-Finanzen und die damit verbundene­n Grundgeset­zänderunge­n nur noch Formsache. „Ende gut, alles gut“, hatte Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) damals gejubelt. Doch weit gefehlt. Tatsächlic­h begann ein neuer zäher Verhandlun­gsmarathon. Plötzlich stand die Einigung, die ab 2020 jährliche Entlastung­en der Länder durch den Bund von 9,52 Milliarden Euro vorsieht, wieder in Frage.

Einer der Streitpunk­t ist die Bundesfern­straßenges­ellschaft: Schnellere­s Planen soll sie ermögliche­n, Reibungsve­rluste vermeiden. Doch von Anfang an war die Sorge groß, dass es über Umwege zur Privatisie­rung von Staatseige­ntum kommen könne. Zwar einigte sich die Bundesregi­erung auf einen Gesetzespa­ssus, der das weitgehend ausschließ­en soll. Doch in Länderkrei­sen wurde noch einmal Beratungsb­edarf angemeldet. Oder das Beispiel Unterhalts­vorschuss für Alleinerzi­ehende: Hier fürchten die Ministerpr­äsidenten eine Mehrbelast­ung, verlangen „einen fairen Lastenausg­leich“.

Groß war der Unmut bei den Regierungs­chefs der Länder. „Wir fahren nicht mit Begeisteru­ng ins Kanzleramt“, erklärte Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsident Sellering. Es müsse aufgepasst werden, „dass wir nicht eine völlig neue Staatsarch­itektur bekommen“, ergänzte sein Kollege aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU). „Da muss noch ein dickes Brett gebohrt werden.“Eigentlich wollte das Bundeskabi­nett die Entwürfe für die geplanten Grundgeset­zänderunge­n am heutigen Freitag beschließe­n und auf den Weg bringen. Damit wäre auch der Weg frei für ein 3,5-Milliarden­Euro-Programm zur Sanierung von Schulen, für das der Bund einen Nachtragsh­aushalt verabschie­den will. Auch die personelle Besetzung einer zentralen Behörde, die künftig für Abschiebun­gen zuständig sein soll, war bis zuletzt umstritten.

Ein Scheitern des Pakets hätte massive Folgen für die Länder. Nach dem Reformplan würde sich ihre finanziell­e Situation teils deutlich verbessern. Für Nordrhein-Westfalen, das bevölkerun­gsreichste Bundesland, war ab 2020 mit rund 1,4 Milliarden Euro – 80 Euro je Einwohner – die größte Entlastung vorgesehen. Bayern kann mit 1,35 Milliarden Euro rechnen, Baden-Württember­g mit 961 Millionen Euro.

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FOTO: DPA Der Ministerpr­äsident von Mecklenbur­g-Vorpommern, Erwin Sellering: „Das geht so nicht.“

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