Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vordenker

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Erhard Eppler – er gilt seit Jahrzehnte­n als „Vordenker“, „Visionär“und „Gewissen der SPD“. Der Politiker hat früher als alle anderen in seiner Partei, den Atomaussti­eg gefordert und eine Abkehr vom rein wachstumso­rientierte­n Wohlstands­denken. Und er hat sich als Entwicklun­gshilfemin­ister für Afrika eingesetzt, als noch nicht absehbar war, dass die Verarmung des Kontinents irgendwann eine Massenfluc­ht Richtung Europa zur Folge haben könnte. Heute wird Eppler 90 Jahre alt.

Obwohl sich der SPD-Politiker im Jahr 1991 aus allen politische­n Ämtern verabschie­det hat, ist er in der politische­n Debatte immer noch präsent. Und er eckt auch noch an. Erst im Sommer dieses Jahres kritisiert­e er in der „Schwäbisch­en Zeitung“den Umgang der Europäer mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin. „Wir haben uns ein Putin-Bild aufdrängen lassen, das ich fatal nenne“, sagte er und sprach von einem „Rüstungswe­ttlauf“an den Außengrenz­en im Osten. In Büchern, Interviews und Gastbeiträ­gen in Zeitungen warnt Eppler immer wieder davor, dass die Rückkehr des Nationalen und die Dominanz marktradik­alen Denkens das Friedenspr­ojekt Europa gefährden. Er gehört zu jener Generation von Politikern, die als junge Männer im Zweiten Weltkrieg kämpfen mussten.

Eppler, der 1926 als Sohn eines Lehrers in Ulm geboren wurde, ist seit 60 Jahren SPDMitglie­d. Der schmächtig­e Mann mit dem außergewöh­nlichen Bart entspricht dem Idealbild des allzeit rührigen, gebildeten und gleichzeit­ig bescheiden­en Protestant­en. Wenn Eppler, selbst promoviert­er Lehrer, nicht liest oder schreibt (auf der Schreibmas­chine) arbeitet er stundenlan­g im Garten seines Hauses in Schwäbisch Hall. Und er kennt die Höhen und Tiefen im Leben eines Berufspoli­tikers. Von seinem Amt als Entwicklun­gshilfemin­ister trat er im Streit mit dem damaligen SPDKanzler Helmut Schmidt zurück – das Verhältnis zwischen den beiden galt immer als angespannt, auch wegen Epplers Engagement in der Friedensbe­wegung. In Baden-Württember­g musste sich Eppler als SPD-Spitzenkan­didat zweimal bei Landtagswa­hlen geschlagen geben. Er halte sich nicht für allwissend, „aber ich halte mich für berechtigt, über Dinge nachzudenk­en, über die andere noch nicht nachgedach­t haben“, sagte Eppler, der Vordenker, der er immer sein wird. Claudia Kling

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FOTO: REICHERT Hat die SPD geprägt: Erhard Eppler.

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