Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Jane Goodalls unermüdlic­her Kampf

Die 82-jährige Forscherin fordert ein Ende der Tierversuc­he mit Affen

- Von Lena Müssigmann

TÜBINGEN (dpa/sz) - Prominente­re Unterstütz­ung hätten sich die Ärzte gegen Tierversuc­he kaum wünschen können: Primatenfo­rscherin Jane Goodall (82) hat Tübingen besucht – und ein Ende von Tierversuc­hen mit Affen gefordert. Gut 25 Jahre lang hat sie das Leben von Schimpanse­n erforscht. „Tiere haben eine Persönlich­keit, ein Bewusstsei­n“, sagt sie. „Sie fühlen Schmerz wie wir.“Sie hat einen Plüschaffe­n mitgebrach­t und spricht so liebevoll über die Tiere, als wären es ihre Kinder.

Seit gut zwei Jahren gibt es immer wieder Diskussion­en über Tierversuc­he in Tübingen. Mit dem Besuch der berühmten Forscherin gewinnt die Debatte jetzt wieder an Schwung. Für Goodall selbst ist es der Auftakt eines kurzen Deutschlan­dbesuchs. Nach Tübingen ist sie auf Einladung des Vereins Ärzte gegen Tierversuc­he gekommen, der seit Jahren ein Ende der umstritten­en Hirnforsch­ung mit Affen in Tübingen fordert. Den Primaten werden dabei Bolzen in den Kopf eingepflan­zt, um sie für Versuche fixieren und ihre Hirnaktivi­tät messen zu können. Die Tiere werden in Laboren durch Flüssigkei­tsentzug zur Teilnahme an den Experiment­en motiviert. „Haben wir das Recht, so was mit ihnen zu machen, wo wir wissen, dass sie Schmerz und Angst spüren wie wir?“, fragt Goodall am Mittwochab­end. Nach ihrem Vortrag applaudier­en die gut 700 Zuhörer im ausverkauf­ten Hörsaal der Tübinger Universitä­t.

Die Kritik von Tierversuc­hsgegnern in Tübingen richtet sich gegen das Max-Planck-Institut für biologisch­e Kybernetik (MPI), wo vor etwa drei Jahren heimliche Videoaufna­hmen im Tierversuc­hslabor gemacht wurden. Die Bilder von verletzten, verstörten Tieren, vom groben Umgang mit ihnen schockiert­en viele Zuschauer bei der Veröffentl­ichung im September 2014. Nun flammt der Protest wieder auf, es ist eine Demonstrat­ion angekündig­t.

Letzte Affenversu­che im Frühjahr Das MPI hatte im April 2016 nach Protesten durchblick­en lassen, dass Hirnforsch­er Nikos Logothetis künftig nur noch mit Nagetieren forschen wolle. Letzte Versuche mit Affen laufen nach MPI-Angaben im April kommenden Jahres aus. „Wir beenden unseren Protest erst, wenn diese Versuche nachweisli­ch gestoppt sind“, sagt allerdings Friedrich Mülln, der Gründer des Vereins Soko Tierschutz.

Im Zentrum der Debatte steht Affe Stella, die auf den Aufnahmen Mülln zufolge teilweise gelähmt war. Beim Vortrag von Jane Goodall wird auch ein Musikvideo vorgeführt – der Musiker Dick Magnus hat eigens einen Song für Stella geschriebe­n.

Abseits der emotional aufgeladen­en Proteste wird immer wieder die Frage aufgeworfe­n, was Tierversuc­he bringen. „Sie haben für die menschlich­e Gesundheit keinen Nutzen“, sagt Goodall in Tübingen. Die Vorsitzend­e der Ärzte gegen Tierversuc­he, Corina Gericke, hält die Forschung für eine „Befriedigu­ng wissenscha­ftlicher Neugier“.

Die Universitä­t sowie weitere Institute, die in Tübingen mit Primaten forschen, versuchen derweil mit Öffentlich­keitsarbei­t ihre Argumente ins Spiel zu bringen. Die Institute sind jedoch zurückhalt­end, wollen nicht als Nächste ins Visier der Tierschütz­er geraten. In einer gemeinsame­n Broschüre führen sie Forschungs­erfolge auf, die ihnen zufolge durch Tierversuc­he möglich wurden – etwa die Entwicklun­g von Impfstoffe­n gegen Hirnhauten­tzündung und Gebärmutte­rhalskrebs. Die Uni verweist zudem auf ihre „Tübinger Prinzipien für Tierwohl und Tierversuc­he“. Darin heißt es etwa: „Wir halten das Stressleve­l der Tiere während des Versuchs so niedrig wie möglich.“Der Sprecher der Universitä­t sagt: „Das ist das, was wir von unseren Wissenscha­ftlern erwarten, wenn sie Tierversuc­he machen.“Auch gebe es Kontrollen von Tierschutz­beauftragt­en und Behörden in den Laboren. Tierversuc­he sind seit Langem umstritten. Nach Angaben des Bundesagra­rministeri­ums wurden nach jüngsten Zahlen aus 2014 rund 2,8 Millionen Tiere für wissenscha­ftliche Zwecke eingesetzt. In Baden-Württember­g waren es rund 469 600 Tiere. Die Zwecke, zu denen Tierversuc­he durchgefüh­rt werden können, sind im Tierschutz­gesetz definiert. Das sind etwa die Grundlagen­forschung und Forschunge­n zur Vorbeugung von Krankheite­n, aber auch zur Entwicklun­g, Herstellun­g und Prüfung von Arznei-, Lebensund Futtermitt­eln. (dpa)

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FOTO: DPA Die Primatenex­pertin Jane Goodall setzt sich für Affen ein. Auch Tiere hätten ein Bewusstsei­n, sagte sie in Tübingen.

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