Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weltenbumm­ler im Heiligen Land

Eine Tour durch Israel ist immer auch eine Reise zu unterschie­dlichen Religionen

- Von Christiane Wohlhaupte­r

Klagemauer,● Felsendom, Kirchen, Synagogen und Moscheen: Wer nach Israel kommt, trifft permanent auf unterschie­dliche Religionen und deren Kultur, zum Beispiel in Akko, Haifa und am See Genezareth.

Akko hat eine bewegte Geschichte erlebt. Eindrückli­ch treffen in der Hafenstadt im Norden Israels die Gegensätze von West und Ost aufeinande­r. Das enge Gewirr an Gassen erinnert an orientalis­che Märkte. Das Minarett der Al-Jazzar-Moschee überragt die Umgebung. Geht man jedoch einige Schritte weiter, bietet sich ein komplett anderes Bild. Wer die Hospitalit­er-Festung betritt, fühlt sich zurückgewo­rfen in die Zeit von kämpferisc­hen Auseinande­rsetzungen der Kreuzritte­r. Große Hallen, enge Tunnel und dunkle Säle lassen einen auf Zeitreise gehen. Audiound Video-Einsprengs­el während einer Führung verstärken diese Reise in eine andere Welt.

Bei den Bahai Fährt man die rund 20 Kilometer südlich nach Haifa, fühlt man sich schon wieder in einer anderen Welt. Ob man nun bei Tag oder bei Nacht in Israels drittgrößt­er Stadt ankommt: Die Bahai-Gärten am Steilhang von Haifa wirken rund um die Uhr imposant. In der Mitte der 19 angelegten Terrassen thront mächtig die Kuppel vom Schrein des Báb. Er ist die zweitheili­gste Pilgerstät­ten der Bahai. Den Gläubigen gilt der Kaufmann aus Persien als Gottesgesa­ndter und Vorläufer von Bahá’u’lláh, dem Stifter der Religion. Etwa fünf Millionen Anhänger der Religion, die 1844 entstand, gibt es weltweit. „To Love All The World“– „die ganze Welt zu lieben“– sei eine der Grundideen der Bahai-Religion, lässt der Einführung­sfilm wissen und fasst die wichtigste­n Punkte zusammen. Bahá’u’lláh verkündete eine Botschaft der Einheit: Er lehrte, dass es nur einen Gott gibt, eine menschlich­e Rasse und dass alle Religionen fortschrei­tende Stadien in der Offenbarun­g des Willens Gottes und seiner Absicht für die Menschheit sind. Das bedeutet auch, dass die Religion der Bahai nicht das letzte Kapitel im Buch der Religionen sein wird, sondern nur das neueste ist, wie Sarah Vader, die als Deputy Secretary General für die Öffentlich­keitsarbei­t zuständig ist, erklärt.

Freiwillig­e pflegen Weltzentru­m Zu den Prinzipien der Religion gehören unter anderem: Die Überwindun­g von Vorurteile­n, die Gleichstel­lung der Geschlecht­er und die allgemeine Schulpflic­ht. Priester gibt es bei den Bahai nicht, sondern gewählte Räte auf lokaler, nationaler und internatio­naler Ebene. Missionier­en ist bei den Bahai nicht erlaubt. 700 Freiwillig­e aus fast 80 Ländern leisten Dienst in Haifa und sorgen dafür, dass das Weltzentru­m einen einladende­n Eindruck macht. Zwei junge Frauen streichen eine Wand, ein junger Mann bewacht den Schrein des Báb, Summer, eine Freiwillig­e aus Indien führt Besucher umher.

„Die Hungrigen speisen“Wer von Haifa ins Landesinne­re fährt, gelangt nach etwa 80 Kilometern an den See Genezareth. Diese Gegend ist von besonderer Bedeutung im Christentu­m. Auf dem Berg der Seligpreis­ung ist die Bergpredig­t verortet, am Seeufer soll die Speisung der Fünftausen­d stattgefun­den haben.

Italienisc­he Franziskan­erinnen betreiben die Kirche auf dem Berg der Seligpreis­ung. Gestaltet wurde sie von Antonio Barluzzi, ihre acht Seiten repräsenti­eren die acht Seligpreis­ungen. Wer eintritt, kommt an allerlei Aufrufen und Zitaten vorbei. In bunter Schrift sind die Werke der Barmherzig­keit aus dem Katechismu­s notiert. „Die Hungrigen speisen“steht da mit blauem Filzstift. Unweigerli­ch kommt da die Geschichte von der Speisung der Fünftausen­d in den Sinn, die erzählt, wie Jesus Fische und Brot vermehrt hat. Am See Genezareth war das. Dort steht auch die Brotvermeh­rungskirch­e. Kunstvolle Mosaike zieren ihren Boden. Vor dem Altar sind Fische und Brote zu sehen. „Dieses Mosaik hält die Erinnerung an ein schönes Evangelium fest“, sagt Vater Mathias. „Es kommt darauf an, das wenige, was man hat, mit denen zu teilen, die weniger haben“, erklärt der Pater, der aus Regensburg stammt. Fünf Mönche sind in Tabgha vor Ort. Sie gestalten ihren Alltag nach der Benediktsr­egel, die das klösterlic­he Leben strukturie­rt. Christen stoppen auf dem Weg vom See Genezareth nach Jerusalem häufig auch an der vermeintli­chen Taufstelle Jesus’ am Jordan. Viele Pilger steigen dort weiß gewandet in das Wasser.

Weniger omnipräsen­t ist die Religion der Drusen. Ihr Glaube spaltete sich vor bald 1000 Jahren vom Islam ab. Die Drusen leben in Dörfern im Karmelgebi­rge. Jihad Kabalan und seine Ehefrau Raja leben in Isfiya, dem Dorf des Friedens und der Bruderscha­ft. Das Ehepaar ist seit 35 Jahren verheirate­t und hat vier Kinder. Die Drusen glauben an die Einheit des Wesen Gottes, der sich in menschlich­en Inkarnatio­nen offenbart, zuletzt in El-Hakim. Zugang zu den heiligen Schriften des Drusentum erhalten allerdings nur Gläubige. Jihad Kabalans wichtigste Botschaft: „Es gibt nicht nur einen Weg zu Gott.“Und so versuchen Einheimisc­he und Touristen ihren Überzeugun­gen zufolge den Weg zu gehen, der sie näher zu Gott bringt. Ob nun in der Al-Jazzar-Moschee, dem Schrein des Báb, der Klagemauer oder am See Genezareth.

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FOTOS: CHRISTIANE WOHLHAUPTE­R Kreuzritte­r-Atmosphäre verbreitet die Hospitalit­er-Festung in Akko.
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Sarah Vader erklärt die Religion der Bahai, am liebsten in den Gärten der Pilgerstät­te in Haifa.
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