Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weltenbummler im Heiligen Land
Eine Tour durch Israel ist immer auch eine Reise zu unterschiedlichen Religionen
Klagemauer,● Felsendom, Kirchen, Synagogen und Moscheen: Wer nach Israel kommt, trifft permanent auf unterschiedliche Religionen und deren Kultur, zum Beispiel in Akko, Haifa und am See Genezareth.
Akko hat eine bewegte Geschichte erlebt. Eindrücklich treffen in der Hafenstadt im Norden Israels die Gegensätze von West und Ost aufeinander. Das enge Gewirr an Gassen erinnert an orientalische Märkte. Das Minarett der Al-Jazzar-Moschee überragt die Umgebung. Geht man jedoch einige Schritte weiter, bietet sich ein komplett anderes Bild. Wer die Hospitaliter-Festung betritt, fühlt sich zurückgeworfen in die Zeit von kämpferischen Auseinandersetzungen der Kreuzritter. Große Hallen, enge Tunnel und dunkle Säle lassen einen auf Zeitreise gehen. Audiound Video-Einsprengsel während einer Führung verstärken diese Reise in eine andere Welt.
Bei den Bahai Fährt man die rund 20 Kilometer südlich nach Haifa, fühlt man sich schon wieder in einer anderen Welt. Ob man nun bei Tag oder bei Nacht in Israels drittgrößter Stadt ankommt: Die Bahai-Gärten am Steilhang von Haifa wirken rund um die Uhr imposant. In der Mitte der 19 angelegten Terrassen thront mächtig die Kuppel vom Schrein des Báb. Er ist die zweitheiligste Pilgerstätten der Bahai. Den Gläubigen gilt der Kaufmann aus Persien als Gottesgesandter und Vorläufer von Bahá’u’lláh, dem Stifter der Religion. Etwa fünf Millionen Anhänger der Religion, die 1844 entstand, gibt es weltweit. „To Love All The World“– „die ganze Welt zu lieben“– sei eine der Grundideen der Bahai-Religion, lässt der Einführungsfilm wissen und fasst die wichtigsten Punkte zusammen. Bahá’u’lláh verkündete eine Botschaft der Einheit: Er lehrte, dass es nur einen Gott gibt, eine menschliche Rasse und dass alle Religionen fortschreitende Stadien in der Offenbarung des Willens Gottes und seiner Absicht für die Menschheit sind. Das bedeutet auch, dass die Religion der Bahai nicht das letzte Kapitel im Buch der Religionen sein wird, sondern nur das neueste ist, wie Sarah Vader, die als Deputy Secretary General für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, erklärt.
Freiwillige pflegen Weltzentrum Zu den Prinzipien der Religion gehören unter anderem: Die Überwindung von Vorurteilen, die Gleichstellung der Geschlechter und die allgemeine Schulpflicht. Priester gibt es bei den Bahai nicht, sondern gewählte Räte auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Missionieren ist bei den Bahai nicht erlaubt. 700 Freiwillige aus fast 80 Ländern leisten Dienst in Haifa und sorgen dafür, dass das Weltzentrum einen einladenden Eindruck macht. Zwei junge Frauen streichen eine Wand, ein junger Mann bewacht den Schrein des Báb, Summer, eine Freiwillige aus Indien führt Besucher umher.
„Die Hungrigen speisen“Wer von Haifa ins Landesinnere fährt, gelangt nach etwa 80 Kilometern an den See Genezareth. Diese Gegend ist von besonderer Bedeutung im Christentum. Auf dem Berg der Seligpreisung ist die Bergpredigt verortet, am Seeufer soll die Speisung der Fünftausend stattgefunden haben.
Italienische Franziskanerinnen betreiben die Kirche auf dem Berg der Seligpreisung. Gestaltet wurde sie von Antonio Barluzzi, ihre acht Seiten repräsentieren die acht Seligpreisungen. Wer eintritt, kommt an allerlei Aufrufen und Zitaten vorbei. In bunter Schrift sind die Werke der Barmherzigkeit aus dem Katechismus notiert. „Die Hungrigen speisen“steht da mit blauem Filzstift. Unweigerlich kommt da die Geschichte von der Speisung der Fünftausend in den Sinn, die erzählt, wie Jesus Fische und Brot vermehrt hat. Am See Genezareth war das. Dort steht auch die Brotvermehrungskirche. Kunstvolle Mosaike zieren ihren Boden. Vor dem Altar sind Fische und Brote zu sehen. „Dieses Mosaik hält die Erinnerung an ein schönes Evangelium fest“, sagt Vater Mathias. „Es kommt darauf an, das wenige, was man hat, mit denen zu teilen, die weniger haben“, erklärt der Pater, der aus Regensburg stammt. Fünf Mönche sind in Tabgha vor Ort. Sie gestalten ihren Alltag nach der Benediktsregel, die das klösterliche Leben strukturiert. Christen stoppen auf dem Weg vom See Genezareth nach Jerusalem häufig auch an der vermeintlichen Taufstelle Jesus’ am Jordan. Viele Pilger steigen dort weiß gewandet in das Wasser.
Weniger omnipräsent ist die Religion der Drusen. Ihr Glaube spaltete sich vor bald 1000 Jahren vom Islam ab. Die Drusen leben in Dörfern im Karmelgebirge. Jihad Kabalan und seine Ehefrau Raja leben in Isfiya, dem Dorf des Friedens und der Bruderschaft. Das Ehepaar ist seit 35 Jahren verheiratet und hat vier Kinder. Die Drusen glauben an die Einheit des Wesen Gottes, der sich in menschlichen Inkarnationen offenbart, zuletzt in El-Hakim. Zugang zu den heiligen Schriften des Drusentum erhalten allerdings nur Gläubige. Jihad Kabalans wichtigste Botschaft: „Es gibt nicht nur einen Weg zu Gott.“Und so versuchen Einheimische und Touristen ihren Überzeugungen zufolge den Weg zu gehen, der sie näher zu Gott bringt. Ob nun in der Al-Jazzar-Moschee, dem Schrein des Báb, der Klagemauer oder am See Genezareth.