Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Fall Ursula Herrmann erneut vor Gericht
Bruder des entführten Mädchens, das in einer Holzkiste erstickte, will Schmerzensgeld vom Täter
AUGSBURG (dpa) - Das zehnjährige Mädchen Ursula Herrmann wurde vor 35 Jahren verschleppt und starb in einer vergrabenen Kiste. Erst im Jahr 2008 wurde der Täter geschnappt. Jetzt ist der Fall wieder vor Gericht: Der Bruder des Opfers will Schmerzensgeld vom verurteilten Kidnapper. Denn Michael Herrmann leidet seit dem Prozess an einem Tinnitus. Die Chancen für seine Klage sind wohl nicht sehr groß.
20 000 Euro Schmerzensgeld fordert Michael Herrmann. Der Tinnitus störe ihn als Musiker und Lehrer. Im Schmerzensgeldprozess um den Tod der kleinen Ursula Herrmann sagte der medizinische Sachverständige am Donnerstag, der Bruder habe die Erkrankung aufgrund der Belastungen durch die Festnahme des Täters im Jahr 2008 und den anschließenden Prozess erlitten. Herrmann habe zwar auch bereits 2005 schon einmal einen Tinnitus gehabt, die Gewalttat an seiner Schwester sei aber auch dort Auslöser gewesen.
Verurteilter bestreitet die Tat Der Fall Ursula Herrmann ist eines der spektakulärsten Verbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik. Das zehnjährige Mädchen war 1981 am Ammersee verschleppt und in einer Kiste vergraben worden. Ursula erstickte darin. Erst 27 Jahre später wurde der Täter in Kappeln in Schleswig-Holstein gefasst und in Augsburg angeklagt. Der Mann bestreitet trotz seiner Verurteilung bis heute die Tat. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Sein Anwalt bestreitet die durch das Gewaltverbrechen und die Folgen ausgelöste Tinnitus-Erkrankung von Ursulas Bruder nicht. Allerdings sieht der Verteidiger seinen Mandanten als den falschen Beklagten, da er mit Ursulas Tod nichts zu tun habe. Beide Seiten erhoffen sich von dem Zivilprozess neue Hinweise, damit das umstrittene Strafverfahren noch einmal neu aufgerollt werden kann. Michael Herrmann hat mehrfach Zweifel an der Alleintäterschaft des verurteilten Mannes geäußert.
Das Landgericht Augsburg will nun am 16. Februar eine Entscheidung in dem Schmerzensgeldprozess verkünden. Das müsse aber
noch nicht unbedingt das Urteil sein, erläuterte ein Gerichtssprecher. Es könne beispielsweise auch eine Entscheidung zu einem weiteren Beweismittel getroffen werden.
Die Kammer hat bereits Zweifel an den Erfolgsaussichten der Klage Herrmanns geäußert. Die Richter sagten, es sei fraglich, ob die Verursachung
der Erkrankung dem verurteilten Täter direkt zugerechnet werden könne. Grund für die TinnitusErkrankung sei nach den bisherigen Erkenntnissen eher das Strafverfahren beziehungsweise die nach Herrmanns Ansicht lückenhafte Aufklärung des Falls seiner Schwester gewesen.