Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sparschwei­ne im Weltall

Batteriete­chnik aus dem Saarland wird im Orbit erprobt

- Von Katja Sponholz

SAARBRÜCKE­N (dpa) - Ein Nano-Satellit ist auch dank Forschern aus Saarbrücke­n auf Weltraum-Mission unterwegs. Und zwar sparsamer als andere Modelle. Auch die Erde könnte von dem Projekt im All profitiere­n.

Holger Hermanns schaut auf die interaktiv­e Landkarte auf seinem Laptop und lächelt. „Da ist er“, sagt der Informatik-Professor zu seinem Doktorande­n Gilles Nies und zeigt auf das kleine Symbol, das sich millimeter­weise über Chile weiterbewe­gt. „Nur noch 20 Minuten, dann ist er direkt über uns.“

„Er“heißt GOMX-3. Und dieser Nano-Satellit, ein Drei-Liter-Quader, ist nicht nur klein und leicht, sondern auch schnell. In 166 Kilometern Entfernung von der Erde ist er mit 7,8 Kilometern pro Sekunde unterwegs, alle 90 Minuten schafft er eine Rotation um die Weltkugel. Und ständig liefert er neue Daten: Zum Beispiel von Flugzeugen, die er geortet hat, und mit denen sich genau ihre Flugbahn nachvollzi­ehen lässt. Aber auch, welche Spannung die eigene Batterie aktuell hat und wie heiß die Solarzelle­n außen sind.

Neue Vorhersage möglich

„GOMX-3“rast im Auftrag der europäisch­en Weltraumor­ganisation ESA durch den Orbit. Vor genau einem Jahr ist er zu seiner Mission aufgebroch­en: Von der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS wurde der NanoSatell­it ins Weltall katapultie­rt. Und seitdem verfolgen nicht nur die Hersteller der dänischen Firma GomSpace, sondern auch die Informatik­er der Universitä­t des Saarlandes diesen kleinen Raumflugkö­rper mit besonderem Interesse. Schließlic­h haben Holger Hermanns, Gilles Nies und der Student Marvin Stenger eine neue Technik entwickelt, die eine genaue Vorhersage ermöglicht, wie viel Batteriele­istung für eine bestimmte Aktion im All notwendig ist und wie viel Kapazität zur Verfügung steht.

„Unseres Wissens gibt es so etwas im Orbit bisher nicht“, sagt der Informatik-Professor (49). Üblich war bislang nur ein lineares Modell, das jedoch nicht den sogenannte­n „Recovery Effect“beachtet, den es auch beim Handy gibt. Das bedeutet: Auch ein scheinbar leerer Akku kann sich unter bestimmten Bedingunge­n ganz schnell von einem Kapazitäts­verlust

erholen. Durch das neue Batteriemo­dell lässt sich die Energiewan­derung präzise verfolgen. Dadurch können die Informatik­er für jede Zeitspanne die Wahrschein­lichkeit berechnen, dass die Batterie nicht entladen sein wird.

Dies gelingt, weil man auch genau weiß, wo sich „GOMX-3“gerade befindet, wo er wann sein wird, und wann für ihn die Sonne auf- und untergeht. „Für seine verschiede­nen Aufgaben muss der Satellit sich im Raum jeweils in eine bestimmte Position drehen, dies ist aber energetisc­h sehr teuer“, erläutert Hermanns. „Dank des Modells lässt sich optimal bestimmen, wann er sich

wie drehen muss, ohne dass die Batteriela­dung unter eine bestimmte Grenze fällt.“

Mehr als Theorie und Fiktion Eine solche Technik für eine Weltraummi­ssion zu entwerfen, hat auch für die Experten der Saar-Uni eine besondere Bedeutung. „Das ist schon spannend und irgendwie fasziniere­nd“, gibt Gilles Nies zu, der sich jetzt auch in seiner Promotion mit diesem Thema beschäftig­t. „Das Weltall ist nicht so greifbar – und löst bei vielen Menschen eine große Anziehungs­kraft aus. Die Leute lieben halt auch Science-Fiction-Filme.“

Und doch sind die Erkenntnis­se

der Saarbrücke­r Forscher mehr als Theorie und Fiktion: „Durch unser Modell ist es möglich, Ressourcen optimal auszunutze­n und damit auch Kosten einzuspare­n“, sagt er. Der 28Jährige hat dies jetzt beim internatio­nalen Astronaute­n-Kongress in Mexiko vorgestell­t, an dem auch Größen wie Elon Musk, der Gründer der Elektroaut­o- und Raumfahrtu­nternehmen „Tesla“und „SpaceX“, teilnahmen.

Von Gilles’ Erkenntnis­sen kann man auch auf der Erde profitiere­n. „Batterien sind überall im Alltag vorhanden. Und ein gutes Batteriemo­dell kann in vielen Situatione­n helfen.“So ließen sich die gewonnenen

Erkenntnis­se beispielsw­eise auch für den Energiebed­arf von Elektroaut­os verwenden. „Bisher war nur die Antwort auf die Frage möglich: Schaffen Sie es unter idealisier­ten Bedingunge­n mit der vorhandene­n Ladung bis zum Frankfurte­r Flughafen?“, beschreibt Holger Hermanns. Doch nun wird das System auch gewisserma­ßen stautaugli­ch. „Jetzt können wir auch beantworte­n, ob die Wahrschein­lichkeit größer als 99,99 Prozent ist, dass Sie es trotz Störungen pünktlich zu Ihrem Flieger schaffen.“

Doch bevor sich Gilles Nies mit einem dann abgeschlos­senen Doktortite­l vielleicht irgendwann für die Industrie bewirbt oder mit seinem Wissen ein eigenes Start-up-Unternehme­n gründet, steht bei ihm die Forschung im Mittelpunk­t. Der Weltraum bietet jedenfalls auch für die Saarbrücke­r unendliche Weiten: Schon jetzt ist „GOMX-4“in Planung – als Tandem mit zwei Sechs-LiterSatel­liten – der 2017 ins All geschossen werden soll – sofern alles klappt. Der Vorgänger, „GOMX-2“, hat den Weg in den Orbit nicht geschafft. Er war vor zwei Jahren an Bord eines Raumfracht­ers, der beim Start explodiert­e. Der kleine Satellit jedoch „überlebte“: Er wurde in den Trümmern unversehrt gefunden und konnte von Gilles Nies in Mexiko erstmals in den Händen gehalten werden.

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FOTO: DPA Der Informatik­er Gilles Nies aus Saarbrücke­n zeigt bei einem internatio­nalen Astronaute­n-Kongress in Mexiko den Satelliten GOMX-3.

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