Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bund und Länder gehen aufeinande­r zu

Wichtige Einigungen bei den Finanzen – Kommunen warnen vor Zentralism­us

- Von Rasmus Buchsteine­r

BERLIN - Grundsatze­inigung im Streit über die Bund-Länder-Finanzen: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten der Länder haben entscheide­nde Hinderniss­e für die Reform aus dem Weg geräumt. „Im Grundsatz ist das heute ein Riesenschr­itt“, erklärte Merkel in der Nacht zu gestern. Es sei fair, ehrlich und hart verhandelt worden. Historisch­er Durchbruch oder Kompromiss mit Hintertürc­hen? Hintergrün­de zum Ausgang der Bund-Länder-Verhandlun­gen.

Streitpunk­te: Gestritten wurde über eine Reihe von Grundgeset­zänderunge­n, die das Verhältnis und die Finanzbezi­ehungen zwischen Bund und Ländern neu regeln sollen. In der neunstündi­gen Marathonsi­tzung im Kanzleramt einigten sich Merkel und die Ministerpr­äsidenten auf Änderungen an insgesamt 13 Stellen des Grundgeset­zes. Das Bundeskabi­nett soll die Vorlagen dazu in der kommenden Woche auf den Weg bringen. Danach müssen Bundestag und Bundesrat noch mit Zwei-DrittelMeh­rheit zustimmen. Die Länder hatten zuvor vor zu weitgehend­en Eingriffsm­öglichkeit­en des Bundes in ihre Kompetenze­n gewarnt. Die Kommunen kritisiert­en gestern die Beschlüsse und warnten vor einer fortschrei­tenden Zentralisi­erung des politische­n Systems.

Autobahnge­sellschaft: Hier gab es eine Einigung. Die Privatisie­rung von Autobahnen und Bundesstra­ßen wird ausgeschlo­ssen. „Für uns Länder war entscheide­nd, dass sowohl die Autobahnen als auch die neue Infrastruk­turgesells­chaft im unveräußer­lichen Eigentum des Bundes verbleiben. Das wird im Grundgeset­z festgeschr­ieben“, erklärte Erwin Sellering (SPD), Regierungs­chef von Mecklenbur­g-Vorpommern und Chef der Ministerpr­äsidentenk­onferenz. Die neue Gesellscha­ft soll zu Jahresbegi­nn 2021 die Verwaltung für Planung und Erhalt aller Bundesauto­bahnen übernehmen. Eine Übertragun­g der Bundesstra­ßen an die Gesellscha­ft ist nicht vorgesehen – es sei denn, ein Land wünscht, die Verantwort­ung für die Bundesstra­ßen abzugeben.

Flüchtling­spolitik: Zwar gab es dazu keinen offizielle­n Beschluss, doch sind sich Bund und Länder einig, rasch eine koordinier­ende Behörde für die Rückführun­g von abgelehnte­n Asylbewerb­ern einzuricht­en. Über die genaue Mitarbeite­rzahl wird noch gestritten. Die zunächst vorgesehen­e Personalau­sstattung ist aus Sicht der Länder zu gering.

Schulsanie­rungsprogr­amm: Der Bund wird in den nächsten Jahren rund 3,5 Milliarden Euro für die Sanierung von Schulen in besonders finanzschw­achen Kommunen zur Verfügung stellen. Dazu wird Artikel 104c des Grundgeset­zes neu gefasst. Nach Informatio­nen unserer Berliner Redaktion soll mit 1,12 Milliarden Euro rund ein Drittel der Mittel nach Nordrhein-Westfalen fließen. Für Bayern sind 293 Millionen Euro vorgesehen, für Baden-Württember­g etwa 251 Millionen, für Niedersach­sen 288 Millionen, für Brandenbur­g 102 Millionen sowie für Mecklenbur­gVorpommer­n 75 Millionen Euro. Gegen die geplanten Grundgeset­zänderunge­n und die Verteilung der Mittel gebe es allerdings noch Bedenken unter anderem aus Bayern, Hessen und Baden-Württember­g. Reform des Unterhalts­vorschusse­s für Alleinerzi­ehende: Alleinerzi­ehende erhalten den staatliche­n Vorschuss, wenn der unterhalts­pflichtige Partner nicht oder zu wenig zahlt. Bundesfami­lienminist­erin Manuela Schwesig (SPD) will die Altersgren­ze für den Unterhalts­vorschuss von derzeit zwölf auf 18 Jahre anheben. Außerdem soll die bestehende Begrenzung der Bezugsdaue­r auf sechs Jahre aufgehoben werden. Die jährlichen Mehrausgab­en durch die Reform werden auf 790 Millionen Euro geschätzt. 260 Millionen Euro davon entfallen laut Vorlage auf den Bund, 530 Millionen Euro auf die Länder. Es gebe hier noch viele offene Fragen, unter anderem bei der Finanzieru­ng, hieß es gestern in Länderkrei­sen. Eine hochrangig­e Arbeitsgru­ppe unter anderem mit Kanzleramt­schef Peter Altmaier (CDU) und Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD) soll nun rasch eine Lösung finden.

Länderfina­nzausgleic­h: Der Länderfina­nzausgleic­h, gegen den drei Bundesländ­er geklagt hatten, wird auf eine neue Grundlage gestellt. Das bisherige System mit zwei Stufen der Umverteilu­ng und einem Gesamtvolu­men von 17,5 Milliarden Euro soll vereinfach­t werden. Der Bund entlastet die Länder unter dem Strich um 9,5 Milliarden Euro – um 116 Euro je Einwohner. Bayern kann mit 1,35 Milliarden Euro rechnen und Baden-Württember­g mit 961 Millionen Euro.

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FOTO: DPA Ab 2021 soll eine neue Gesellscha­ft die Verwaltung der Autobahnen übernehmen.

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