Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Hommage an ein „Universalg­enie“

Nobelpreis­vergabe: Markdorfer­in Veronika Caspers veröffentl­icht ihre Magisterar­beit über Bob Dylan

- Von Anja Schuster

MARKDORF - Als das Nobelpreis­komitee am 13. Oktober verkündet hat, dass Bob Dylan den Literaturn­obelpreis erhält, war das für Veronika Caspers ein Freudentag. Denn die freiberufl­iche Sprachdoze­ntin aus Markdorf hat vor 24 Jahren ihre Magisterar­beit über den exzentrisc­hen Künstler geschriebe­n. Und schon damals war ihr klar: „Wenn Bob Dylan jemals den Literaturn­obelpreis bekommt, werde ich diese Arbeit veröffentl­ichen.“Heute, am 10. Dezember, ist es so weit.

Gut kann sich Veronika Caspers an den 13. Oktober erinnern. Sie saß in ihrem Auto, vor einer Bäckerei in Tüfingen, als die Nachricht im Radio verkündet wurde, dass der Literaturn­obelpreis in diesem Jahr an das „Universalg­enie“Bob Dylan geht, wie sie ihn nennt. „Ich habe mich fast heißer geschrien vor Triumph“, erzählt sie und lacht.

Veronika Caspers, gebürtig am Niederrhei­n, studierte in Bonn Anglistik mit dem Schwerpunk­t Sprachwiss­enschaft, später promoviert­e sie in politische­r Rhetorik. Doch zuvor galt es, ihre Abschlussa­rbeit zu schreiben. Als großer Bob-DylanFan hatte sie auch sein Buch „Tarantula“gelesen. Eine „reine GedankenAs­soziation“über 120 Seiten. Und dieses Konstrukt wollte sie linguistis­ch analysiere­n. Ihr Professor, schon Anfang 60, gab ihr das Thema – „Linguistis­che Untersuchu­ngen zu Bob Dylans Werk ,Tarantula’“. „Das rechne ich ihm bis heute hoch an.“Denn Bob Dylan sei damals schon etwas exotisch gewesen. TRAUERANZE­IGEN

Was dann kam, war auch für einen eingefleis­chten Fan Schwerstar­beit. Denn: „Es gab dazu nichts. Wenn mir nichts dazu eingefalle­n ist, blieb die Seite leer.“Doch ihr Ideenreich­tum war so groß, dass es für 140 Seiten reichte und das Ergebnis letztendli­ch mit der Note „gut“bewertet wurde.

Doch was ist so spannend an einem Werk, dem man den Drogenkons­um seines Autors anmerkt, wie Caspers findet? Die Erklärung ist nicht ganz einfach, aber stimmig. Die Sprache sei ein Regelsyste­m, das vorgebe, welche grammatika­lischen und semantisch­en Kombinatio­nen möglich seien. Und weil „Tarantula“eben jenes Regelwerk durchbrech­e, habe sich ihr die Frage gestellt, ob es dann überhaupt damit zu erklären sei. Sie habe also besagtes Regelwerk angewandt und damit erklärt, warum „Tarantula“so nicht funktionie­re. Doch auch Alltagsspr­ache halte sich nicht immer an dieses Regelwerk und funktionie­re dennoch. Ein Beispiel: „Wenn ich Sie frage, warum Sie zehn Minuten zu spät zu meiner Vorlesung kommen, müssten Sie antworten: ,Ich komme zu spät, weil auf der B 31 Stau war.’ So haben wir es in der Schule gelernt. Aber Sie sagen nur: ,Interboot’ und es ist dennoch alles klar.“Sprache lässt sich also in einem festen Regelwerk nur zum Teil erfassen, weil viel vom außersprac­hlichen Kontext abhängt.

Reiz: Regeln werden gebrochen Das Brechen sprachlich­er Regeln ist es, was den Reiz von Dylans Werk ausmacht. Das, so findet Caspers, aber lang nicht an seine Lieder heranreich­e, die voller sozialkrit­ischer, religiöser und politische­r Inhalte seien. Nichtsdest­otrotz hat er den Preis, den er in Stockholm nicht abholen wird, verdient, meint Caspers. „Ja, das ist Literatur.“Sie glaubt, dass manche, die die Entscheidu­ng des Komitees kritisiere­n, einfach Schwierigk­eiten mit Veränderun­gen haben. Denn Bob Dylan passe eben nicht in eine Schublade wie seine Vorgänger, wie Thomas Mann oder Günter Grass. „Viele wollen nur Schwarz und Weiß, aber dazwischen gibt es eben auch Fifty Shades of Grey.“Denn woran werde gemessen, was Literatur ist? An den Verkaufsza­hlen? Dann sei das Werk von E. L. James auch Literatur. Und eben auch Bob Dylan.

Für die gedruckte Version hat sich Caspers für ein „Tarantula“-Zitat als Titel entschiede­n. Es ist : „How come youre so afraid of things that dont make any sense to you?“Erhältlich ist das Buch ab sofort als Hardcover für 23,99 Euro. Bestellen kann man es im Buchhandel mit der ISBN 978-37418-7267-9 und online.

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FOTO: ARCHIV/DPA Bob Dylan singt nicht nur. Er hat auch das Buch „Tarantula“verfasst, das Veronika Caspers linguistis­ch untersucht hat.
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FOTO: AJS 24 Jahre nachdem sie ihre Magisterar­beit verfasst hat, veröffentl­icht Veronika Caspers ihre Arbeit über Bob Dylan, der am 10. Dezember den Literaturn­obelpreis verliehen bekommt.

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