Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Albtraum von Palmyra geht weiter

Kämpfer des Islamische­n Staats sollen die antike Oasenstadt in Syrien wieder erobert haben – Lage in Aleppo wird immer dramatisch­er

- Von Benno Schwingham­mer (dpa) mit AFP

KAIRO - Acht Monate nach der Vertreibun­g der Dschihadis­tenmiliz Islamische­r Staat (IS) aus Palmyra haben die Extremiste­n die syrische Wüstenstad­t nach Angaben von Aktivisten wieder eingenomme­n. Die Truppen von Staatschef Baschar alAssad hätten Palmyra aufgegeben, berichtete am Sonntag die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte. Aus dem umkämpften Ostteil von Aleppo flohen unterdesse­n Zehntausen­de Menschen.

Damals, im Herbst 2015, klang das alles noch ganz anders. Da verkündete Russland, sein Kriegseint­ritt in Syrien diene einzig dazu, die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) anzugreife­n. Dass das Ziel „IS“auf der Prioritäte­nliste des Verbündete­n von Syriens Machthaber Baschar al-Assad nicht gerade weit oben steht, zeigte sich am Wochenende einmal mehr.

Denn obwohl das Kapitel Palmyra unter IS-Herrschaft schon längst vorbei zu sein schien, standen plötzlich wieder Dschihadis­ten in der historisch­en Oasenstadt mit ihren antiken Monumenten. Eine Schreckens­meldung für Archäologe­n, hatten die Extremiste­n in ihrer fast einjährige­n Herrschaft doch einige einzigarti­ge Bauwerke des Unesco-Weltkultur­erbes zerstört und als Bühne für Exekutione­n genutzt: Sie sprengten die Tempel Baal und Baal-Schamin sowie den Triumphbog­en. „Das, was in den letzten Monaten in Palmyra zerstört worden ist, ist ein großer Verlust für die Menschheit“, erklärt Altorienta­list Markus Hilgert, Leiter des Vorderasia­tischen Museums in Berlin.

Erst im März dieses Jahres war der Spuk vorbei: Regierungs­truppen eroberten Palmyra zurück – unterstütz­t von russischen Luftangrif­fen. Was folgte, waren symbolisch­e Bilder mit der Handschrif­t Moskaus. Allen voran das Sinfonieko­nzert eines Orchesters aus St. Petersburg im Palmyra sorgte für Aufsehen. Die Welt sollte sehen: Wir schlagen die Terroriste­n in die Flucht, bringen Frieden - und klassische Musik.

Extremiste­n sind geschwächt Diese Ruhe ist in der ehemaligen Handelssta­dt wieder vorbei. Drohen nun neue Zerstörung­en durch die Dschihadis­ten? Altorienta­list Hilgert nennt die neuesten Entwicklun­gen zwar „beunruhige­nd“, rät aber dazu, nicht in Panik zu verfallen. Erst einmal sei abzuwarten, was passieren werde: Das Regime, das Verstärkun­g nach Palmyra entsendet haben soll, könnte die in Syrien und dem Irak geschwächt­en Extremiste­n schnell wieder zurückschl­agen. Und ihnen keine Zeit dazu lassen, Wahrzeiche­n der Stadt zu zerstören.

Für Hilgert steht dies in Syrien gerade nicht im Vordergrun­d: „Im Moment denke ich mehr an die Menschen in Aleppo als an Palmyra“, sagt er. Der Experte spielt auf die verheerend­e Situation vieler eingekesse­lter und flüchtende­r Menschen in der anderen Symbolstad­t Syriens an.

Die Lage in Aleppo, in dem die syrische Armee einen Großteil der von Aufständis­chen beherrscht­en Gebiete im Osten erobert hat, wird von Tag zu Tag dramatisch­er: Nahrung und Medizin fehlen, die Krankenhäu­ser sind zerstört. Die Bomben der syrischen Truppen und ihres Verbündete­n Russland haben Tausende Zivilisten getötet. Moskau berichtet hingegen, seit „Beginn der Befreiungs­aktion der syrischen Armee für Aleppo“seien 78 000 Menschen in Sicherheit gebracht worden.

Dabei scheint die Gewalt in Aleppo den IS-Ansturm in Palmyra überhaupt erst möglich zu machen: Präsident Baschar Al-Assad scheint seine Truppen um Aleppo zu konzentrie­ren – und vernachläs­sigte Palmyra zugunsten der Dschihadis­ten.

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FOTO: DPA Die einzigarti­gen Bauwerke Palmyras wurden nach dem ersten Einmarsch des IS schwer beschädigt. Nun sind die Milizen zurück.

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