Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Graf als Italiens Regierungschef
Außenminister Gentiloni soll Nachfolger des zurückgetretenen Matteo Renzi werden
ROM - Italiens bisheriger Außenminister Paolo Gentiloni soll eine neue Regierung in Rom bilden. Das entschied am Sonntag Staatspräsident Sergio Mattarella. Ob Gentiloni nur bis zu den vorgezogenen Neuwahlen im Frühjahr im Amt sein wird, oder bis zum Ende der Legislaturperiode Anfang 2018, ist noch offen.
Mattarella ist daran gelegen, dass eine Regierung mit voller Entscheidungsgewalt die internationalen Verpflichtungen Italiens wahrnimmt. Vorausgesetzt Gentiloni kann rechtzeitig eine Regierung bilden, der in beiden Kammern des Parlaments das Vertrauen ausgesprochen wird, soll der neue Ministerpräsident sein Land am 15. Dezember bei der EURatssitzung in Brüssel vertreten.
Gentiloni soll ferner Italien im März bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der römischen Verträge repräsentieren, und dem G7-Treffen im Mai im sizilianischen Taormina vorstehen. „Wichtig ist es“, sagte er am Sonntag, „bei all diesen wichtigen Terminen mit einer Stimme zu sprechen.“
Der 62 Jahre alte Paolo Gentiloni ist eine bekannte italienische Stimme. Der ruhig auftretende und nachdenklich wirkende Politiker genießt internationales Ansehen. Seine Beziehungen zum deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gelten als ausgezeichnet.
Bevor Gentiloni 2014 von seinem Parteifreund Matteo Renzi zum Außenminister ernannt wurde, war der gebürtige Römer unter Romano Prodi Kommunikationsminister und versuchte in dieser Funktion den medienpolitischen Allmachtsanspruch von Medienzar Silvio Berlusconi einzugrenzen. In vier Legislaturperioden war Gentiloni Abgeordneter.
Familie wohnt im Palazzo Gentolini stammt aus einem Grafengeschlecht aus der Region Marken. In Rom bewohnt seine Familie einen Palazzo im Zentrum. Gentilonis Vorfahr Vincenzo Ottorino Gentiloni handelte 1913 zwischen dem Kirchenstaat und der damaligen Regierung ein berühmtes Abkommen aus, das die politischen Beziehungen zwischen katholischer Kirche und dem Staat entschieden verbesserte. Der designierte Regierungschef studierte Politik in Rom und ist mit einer Architektin verheiratet. Das Paar ist kinderlos.
Gentilonis politische Karriere begann in der außerparlamentarischen linken Opposition. Ab 1990 arbeitete er als Journalist. Drei Jahre später wurde er Pressechef des damaligen Bürgermeisters Francesco Rutelli, mit dessen sozialdemokratisch-liberaler Partei Margherita er erstmalig ins Parlament gewählt wurde. Als diese Partei mit den Sozialdemokraten zusammenging, wurde Gentiloni einer der engsten Vertrauten der Parteigranden. Er scheiterte 2012 bei dem Versuch, Bürgermeister Roms zu werden, und wurde zwei Jahre später Italiens neuer Außenminister.
Selbst seine Gegner schätzen den Sozialdemokraten als ausgewogenen Politiker. Seine Vorgehensweise ähnelt der von Ex-Ministerpräsident Renzi. Aber anders als dieser ist Italiens möglicher zukünftiger Regierungschef kein geborener Redner. Gentilonis introvertiertes Auftreten könnte auch ein Grund dafür gewesen sein, dass der ebenfalls introvertierte Staatspräsident ihn zum Nachfolger Renzis auswählte.