Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nahles wirft Kanzlerin Merkel Schwäche vor
Führungsdebatte bei der SPD geht weiter
BERLIN - „Ich rieche ihre Schwäche“: Kampfansage von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der CDUParteitag in Essen habe die tiefe Spaltung der Union gezeigt, so die SPDPolitikerin am Wochenende: Kaum sei Merkel aus dem Raum, dann lasse die CDU „die Sau raus, dann zeigt sie ihr wahres Gesicht beim Doppelpass, beim Burkaverbot, dann tritt sie ihrer Kanzlerin in den Hintern“. Die Sozialdemokraten müssten nur abwarten, bis sich die CDU zerlege, rät Nahles zum Abwarten.
Ein Angriff als Ablenkung von der eigenen Führungsschwäche. Denn der CDU-Parteitag, der Merkel zwar einen Dämpfer verpasste, aber die Kanzlerin mit knapp 90 Prozent als Parteichefin bestätigte und nun ins Wahlrennen 2017 schickt, hat die SPD unter Druck gesetzt.
In Umfragen liegt sie stabil bei mageren 22 Prozent, und die Kanzlerkandidaten-Frage der Sozialdemokraten bleibt weiter ungelöst. Es ist offen, ob Sigmar Gabriel gegen Merkel antreten will – oder lässt er dem EU-Parlamentschef Martin Schulz den Vortritt? Der Parteichef gibt sich gelassen: „Popularität ist wichtig, aber nicht das Einzige, was Wählerinnen und Wähler interessiert“, sagt er. Schließlich hätten Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück trotz höchster Sympathiepunkte gegen Merkel verloren.
„Wir müssen sorgfältig abwägen, wer die besten Chancen hat“, sagt Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPDBundestagsfraktion, der „Schwäbischen Zeitung“. „Das hängt nicht nur an einer Person, da sind Gremien zu beteiligen.“Auch Umfragen würden berücksichtigt werden.
Die Zahlen sprechen gegen Gabriel. Das sei dem Vizekanzler bewusst, heißt es im SPD-Führungszirkel. Im neuen ARD-DeutschlandTrend legte Schulz im Popularitätsranking um sieben Punkte auf 57 Prozent zu. Gabriel legte auch um sechs Punkte zu, landete aber nur bei 43 Prozent. Im Januar soll der Kandidat ausgerufen werden. Solange ergründen die Sozialdemokraten die Möglichkeit eines rot-rot-grünen Bündnisses. „Die Gemeinsamkeiten in der Großen Koalition sind erschöpft“, sagte Miersch vor dem zweiten Treffen rot-rot-grüner Abgeordneter am Sonntag in Berlin.