Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Atomkonzerne wollen etliche Klagen fallen lassen
Eon, RWE, EnBW, Vattenfall und Stadtwerke München verzichten auf Schadenersatz – Atomgegner: PR-Maßnahme
BERLIN - Die Ankündigung mehrerer deutscher Energiekonzerne, eine Reihe von Klagen gegen die Bundesrepublik zurückzuziehen, wenn das Gesetz zum Atomausstieg in Kraft getreten ist, ist von den Grünen scharf kritisiert worden. Dass ein erstes Bündel an Klagen zurückgezogen werde, sei zwar „ein erster wichtiger Schritt“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Klagen noch nicht zurückgezogen wurden.“Hofreiter bezeichnete es als „unsittlich“, dass die Konzerne „einerseits über den Verbleib des Atommülls verhandeln wollen und gleichzeitig den Staat verklagen.“Der GrünenFraktionschef forderte Eon, RWE, Vattenfall und EnBW auf, „auch die verbliebenen Streitigkeiten mit Bezug zur Atomenergie auf nationaler Ebene und auf Ebene internationaler Schiedsgerichte zu beenden“.
Die Konzerne hatten am Freitag angekündigt, ein Bündel an Klagen fallen zu lassen. Nach Angaben der Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt handelt es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs. Bei den nun fallen gelassenen Klagen – unter anderem die Widersprüche gegen Vorausleistungsund Abschlagsbescheide für das Atomendlager Konrad, Widersprüche gegen Zahlungen für das Atommülllager Gorleben sowie Verfassungsbeschwerden gegen Vorgaben zur Zwischenlagerung von strahlenden Abfällen – gehe es lediglich um ein Volumen von maximal 800 Millionen Euro, erklärte die Organisation am Wochenende. Die ausstehenden Klagen könnten den Staat aber noch bis zu elf Milliarden Euro kosten. Allein der schwedische Konzern Vattenfall versucht, vor einem internationalen Schiedsgericht 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz einzuklagen, wie Hofreiter kritisierte.
Hintergrund der teilweisen Klagerücknahmen ist ein Gesetzespaket zur Finanzierung des Atomausstiegs. Es sieht vor, dass sich die vier Konzerne gegen Zahlung von insgesamt 23,55 Milliarden Euro bis zum Jahr 2022 vom Haftungsrisiko „freikaufen“, das dann an den Steuerzahler übergeht. Das Gesetzespaket zur Regelung der milliardenschweren Zwischenund Endlagerung soll am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet werden.