Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hier wird mit Wattebäuschchen geschossen
Das oberschwäbische Trio „Volksdampf“feuert in der Linse 90 Minuten lang aus allen Rohren des Kabaretts
WEINGARTEN - „Schöne Grüße aus dem Hinterhalt“heißt das 15. Programm des oberschwäbischen Trios „Volksdampf“, mit dem die drei Schwaben am Freitagabend in der Linse in Weingarten gastiert haben. Ausverkauft war der große Saal zwar nicht – aber für die harten Fans der hiesigen Kabarett-Institution zählt Qualität ohnehin mehr als Quantität.
„Lisa Greiner, Suso Engelhart und Reiner Muffler trotzen in altbekannter Manier der Ernsthaftigkeit der Weltstimmung“, das verspricht der Pressetext. „Sie sollen hinterher besser drauf sein als vor der Vorstellung“, gibt Reiner Muffler dem Publikum zu Beginn mit auf den Weg. Und beides bewahrheitet sich, nach gut 90 Minuten, in denen die drei Schwaben aus allen Rohren feuern. Sie nehmen jede Form von Minderheiten ins Visier: die Rechten („es ist äußerst unappetitlich, die Exkremente nach dem Gestank zu sortieren“), die Schwulen („wie empfindlich die sind sieht man ja an Erdogan“) und auch Behinderte („da sagt man nicht mal so schnell Vollpfosten“) werden nicht verschont. Wer aber „Volksdampf“kennt, der weiß bereits: Hier wird vielleicht geschossen – aber meist mit Wattebäuschchen.
Unverkopft und unverhohlen legt „Volksdampf“an auf SmartphoneJunkies und auf Türken, auf Milliardäre und die Klimakatastrophe. Dazwischen streut das Trio immer wieder kleine Knallerbsen wie Assoziationsspiele zu Begriffen wie Grippe/Krippe oder Spektakel/Speck Dackel. Voll ins Schwarze treffen sie beim gut gelaunten Publikum mit Erkenntnissen wie: „Wenn man alles nur durch das Hühnerauge sieht, dann ist überall Vogelgrippe“und natürlich feiern die harten Fans die regelmäßig abgefeuerten Songs der drei Schwaben. Da wird der Totenbett-Song beinahe zur Hymne, die Metaphern werden zur Zielscheibe. Der Zahnarzt hinterlässt nämlich eine Lücke, das Busenwunder nippelt ab und der Schaffner liegt in den letzten Zügen. Und auch hier gilt: Niemals verliert „Volksdampf“den guten Ton oder gar die Contenance.
Da mag ein Kalauer noch so nahe liegen, „Volksdampf“gehört im besten Sinne zu jenen Publikums-Jägern, die nicht um jeden Preis Beute machen wollen. Angenehm weit entfernt davon, was sonst so von kleinen und vor allem großen Bühnen ins Publikum abgefeuert wird. Bei „I däd so gern emol“holen die drei musikalisch extra weit aus, besingen moralisch einwandfrei allerhand Alltagssituationen und gipfeln in Bösartigkeiten wie „I däd so gern emol“den Nachbarn nicht mehr grüßen oder der Schwiegermutter den Geburtstag versauen. Bei den Kabarettisten regiert sozusagen der gute Ton, selbst wenn sie’s direkt auf einen Blattschuss abgesehen haben.
Lediglich als „Volksdampf“sich dem „interessanten Humor“in Schützenvereinen annimmt, da spürt das Publikum, dass die ansonsten so zärtlichen Kabarett-Trio „Volksdampf“ Heckenschützen auch mit großem Kaliber schießen können. „Wer ein Gewehr hat, der braucht kein Argument“ist das Fazit dieser Gagfolge, wobei sich „Volksdampf“mit „Spitzenspott“diesem „Spitzensport“widmet.
Dass sie dem neuen Programmtitel zufolge aus dem Hinterhalt schießen, das sollte überhaupt nicht wörtlich genommen werden. Es ist exakt so, wie Muffler zu Beginn des Abend ankündigt. „Ihr Wohlbefinden ist unser Hauptanliegen“. Damit treffen „Volksdampf“ja bekanntlich seit vier Jahrzehnten schon ins Schwarze bei ihren Fans. Und diesmal gibt es zum Abschluss sogar eine vorfrankierte Postkarte, die jeder Zuschauer mitnehmen, an einen Liebsten schreiben und – hoffentlich auch- versenden kann. Das ist alles andere als hinterhältig.
„Wenn man alles nur durch das Hühnerauge sieht, dann ist überall Vogelgrippe.“