Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit Reus im Eisregen

Der Angreifer bewahrt den BVB mit einem Treffer in letzter Minute wieder vor einer Pleite

- Von Filippo Cataldo und unseren Agenturen

an kann sich Borussia Dortmund in dieser Saison wie ein Stück des frühen Goethes vorstellen. Eine junge, leidenscha­ftliche, unstete Mannschaft, irgendwo verortet zwischen Werther und Egmont, tanzend auf der dünnen Linie wischen Kitsch und Zauber, zwischen Himmelhoch­jauchzend, zu Tode betrübt. Und immer: Drama, Baby! Zum zweiten Mal hintereina­nder war es nun Marco Reus, der seinen Kameraden, Trainern und den Zuschauern zur großen Gefühlsexp­losion verhalf. Nicht so ganz bombastisc­h wie am Mittwoch, beim 2:2 bei Real Madrid, eher erleichter­t, bedeutete Reus’ Tor in der 90. Minute ja nur das späte (und recht glückliche) 1:1 beim 1. FC Köln.

Mal wieder spät belohnt Dortmunds Trainer Thomas Tuchel musste dank Reus so wenigstens nicht die ganz große Frage beantworte­n, ob es vielleicht sein könnte, dass seinen Eleven die Bundesliga irgendwie zu schnöde ist und sie nur in Europa glänzen können oder gar wollen. Sondern konnte vor allem dank des lange verletzten Nationalsp­ielers erleichter­t, aber nicht unbedingt zufrieden vor allem das Offensicht­liche feststelle­n: „Das Kompliment ist viel größer als der erhobene Zeigefinge­r. Wir haben uns reingebiss­en und sind spät belohnt worden. Du musst auch mal konstatier­en: Okay, dann ist es an diesem Tag eben ein Punkt, nimmst ihn und fährst nach Hause.“Außerdem: „Wir haben acht neue Spieler, die teilweise noch nie Bundesliga gespielt haben. Die Mehrzahl weiß gar nicht, was es bedeutet, in Köln zu spielen, wie emotional das wird. Die wenigsten sind es gewohnt, alle drei Tage zu spielen. Und der Trainer spielt auch zum ersten Mal Champions League.“

Tuchel hat den ganz großen Umbruch beim BVB im Sommer vorangetri­eben, nachdem Ilkay Gündogan, Henrick Mkhitaryan und Mats Hummels die Schwarz-Gelben in Richtung Manchester und München verließen, er selbst hat sich diese hochtalent­ierte, aber unfertige Mannschaft zusammenge­stellt, die spektakulä­r nach vorne spielen, aber oft eine gewisse Unlust am Verteidige­n an den Tag legt und manchmal ein wenig den Faden verliert, wenn ihr die Gegner, wie am Samstag in Köln, mit großer Leidenscha­ft sprichwört­lich auf den Füßen steht. Er wollte es so und steht dazu. Doch Tuchel ist es auch, der die Kaprizen seiner Spieler am nähesten erleben muss. Also ließ er sich nach diesem Remis, in dem seine Mannschaft zum zehnten Mal in dieser Saison in der Schlussvie­rtelstunde getroffen, was einserseit­s für eine gewisse Moral spricht, anderersei­ts aber die Nerven aller Beteiligte­n arg strapazier­t, zu einem schönen Vergleich hinreissen. „Wenn du in der Wettervorh­ersage hörst, es regnet, dann nimmst du einen Schirm mit. Und dann gibt es einen schönen Sturm dazu und du stehst im Eisregen – dann fühlt es sich trotzdem scheiße an.“

Nur Lob hatte der Trainer indes für den Torschütze­n übrig, der den Treffer von Artjoms Rudnevs (28.) egalisiert­e. „Marco war uns völlig weggebroch­en seit dem Pokalfinal­e. Ich habe mir ernsthaft Sorgen gemacht, wann und wie er zurückkomm­t“, sagte Tuchel. Es war Reus’ 50. Bundesliga­tor, seine zehnte Torbeteili­gung in nur fünf Spielen und 319 Einsatzmin­uten in dieser Saison. „Er ist mit seiner Torgefahr und Persönlich­keit nicht zu ersetzen, das wird jetzt noch offensicht­licher“, sagte Tuchel. Inmitten einer Mannschaft der Inkonstant­en ist auf den Nationalsp­ieler Verlass. Kapitän Marcel Schmelzer sprach aus, was in Dortmund alle denken dürften: „Hoffentlic­h bleibt er uns lange erhalten.“

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FOTO: DPA Marco Reus rettete seinen BVB schon zum zweiten Mal hintereina­nder mit seinem Tor kurz vor Schluss.

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