Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Land bleibt bei Regeln für Heime hart
Träger und FDP fürchten Pflegenotstand – Sozialministerium verteidigt bauliche Vorgaben
STUTTGART - Das Sozialministerium hat sich festgelegt: Die geplanten Vorgaben zu Bau und Ausstattung von Pflegeheimen bleiben, wie sie sind. Auch am Inkrafttreten wird nicht gerüttelt – 2019 müssen Pflegeeinrichtungen die 2009 verabschiedeten Regeln umsetzen. Träger fürchten ebenso wie die FDP einen Pflegenotstand und eine Reihe von Heimschließungen, das Ministerium dagegen hält dies für Panikmache.
Es war einer die zahlreichen Prüfaufträge, die sich Grüne und CDU in ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben. Die Bestimmungen zur Umsetzung der Landesheimbauverordnung werde man „im Hinblick auf Möglichkeiten zu Vereinfachungen und Erleichterungen prüfen“. Diese Prüfung ist nun abgeschlossen. „Das Sozialministerium hat die im Koalitionsvertrag vereinbarte Prüfung abgeschlossen und hält an der Umsetzung der Richtlinien fest“, sagt Pressesprecherin Anna Zaoralek. Denn aus Sicht der Experten im grün geführten Ressort gilt: Die Vorgaben sind sinnvoll und die geltenden Ausnahmen lassen den Trägern der Heime ausreichend Zeit, die neuen Regeln umzusetzen.
Zu wenige Ausnahmen möglich Diese sehen unter anderem vor, dass Heime nur noch Einzelzimmer mit eigenen Bädern anbieten, Gemeinschaftsräume werden größer als bisher. Kritik entzündet sich allerdings nicht an diesen Inhalten. Vielmehr halten sie die 2015 von der damaligen SPD-Ministerin Katrin Altpeter verabschiedeten Richtlinien zur Auslegung der Vorgaben für zu strikt.
Es gibt zwar Ausnahmen: Heime haben bis zu 25 Jahre Zeit, die neuen Regeln umzusetzen, wenn sie kürzlich erst renoviert haben und eine erneute Sanierung ein zu großes Loch in die Kasse reißen würde. Auch wer aus technischen oder anderen Gründen seine Einrichtung nicht mehr wirtschaftlich betreiben kann, wenn er die Vorgaben umsetzt, kann eine Ausnahmeregel nutzen.
Das geht den Heimträgern jedoch nicht weit genug. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) befürchtet, viele Heime müssten schließen, weil sich Umbauten für sie nicht lohnten oder weil nach einer Sanierung zu wenige Einzelzimmer bleiben, um eine Einrichtung wirtschaftlich zu betreiben. 23 000 Plätze, so die Prognose des BPA, würden bis 2030 fehlen.
Ulrich Schmolz, Referatsleiter im Sozialministerium, hält das für übertrieben. Der BPA habe die Ausnahmeregeln nicht eingerechnet. „Es wird absehbar nicht zu massenhaften Schließungen durch die Heimaufsichten in den Landkreisen kommen, weil sich bereits die große Mehrzahl der Einrichtungen auf den Weg gemacht hat und die Verordnung umsetzt“, sagt Schmolz.
Liberale sehen „paradoxe Situation“Der FDP-Landtagsabgeordnete und Pflegeexperte seiner Fraktion, Jochen Haußmann, beklagt die komplizierten Prüfungen der Heimaufsicht. Als das Gesetz 2009 beschlossen wurde, habe die damalige CDU-Ministerin Monika Stolz generelle Ausnahmegenehmigungen für bestimmte Heime vorgesehen – ohne aufwändige Einzelfallprüfungen. Das Land habe zwischen 2001 und 2010 rund 510 Millionen Euro in Pflegeheime investiert. „Wir kommen jetzt in die paradoxe Situation, dass Heime, in die Landesgelder geflossen sind, nun durch Vorgaben des Landes in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen“, kritisiert der FDP-Abgeordnete. Er fordert, jenen Einrichtungen grundsätzlich 25 Jahre mehr Zeit zu gewähren, um die Vorgaben umzusetzen. Das ist auch jetzt möglich, aber eben nur nach einer Prüfung durch die Heimaufsicht.
Haußmann moniert einen weiteren Punkt. Es gibt Ausnahmen für Heime, die nachweisen können, dass sie nach dem Umbau nicht mehr wirtschaftlich arbeiten könnten. Aber: „Uns bereitet Sorge, dass etwa Brandschutzmaßnahmen oder energetische Sanierungen nicht in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen mit einfließen. Das ist völlig sinnentfremdet und praxisfern“. Sprich: Ein Heim, dass bei der Sanierung auch neue Auflagen zu Brandschutz oder Energiesparmaßnahmen umsetzen muss, dürfe die Kosten dafür nicht als Beleg für seine Belastungen einrechnen. Das könne Heime in den Ruin treiben, fürchtet die FDP.
Referatsleiter Schmolz hält dagegen: „Wenn die wirtschaftliche Existenz eines Heims nachweislich gefährdet ist, kann es ganz oder teilweise von der Umsetzung befreit werden – soweit dies mit den Bedürfnissen und Interessen der Bewohnerschaft vereinbar ist.“