Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein deutscher Gründervat­er

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Dem Knaben Ernst Werner Siemens war seine große Karriere nicht in die Wiege gelegt, als er am 13. Dezember 1816 in Lenthe bei Hannover das Licht der Welt erblickte. Sein Vater, der Gutspächte­r Christian Ferdinand Siemens kam zwar aus angesehene­m Bürgerhaus, nur an Geld fehlte es, auch nach dem Umzug nach Mecklenbur­g, wo der studierte Landwirt im Jahr 1923 die Domäne Menzendorf übernahm. An ein Studium für Sohn Werner war nicht zu denken, also musste der Junge zum Militär.

Fünf Jahre Festungsha­ft, die sie ihm aufbrummte­n, weil er als Sekundant bei einem Duell mitwirkte, konnten den Erfinderge­ist des jungen Leutnants nicht bremsen. Er bekam die Erlaubnis, in seiner Zelle ein Labor einzuricht­en und entwickelt­e neue Verfahren zur galvanisch­en Beschichtu­ng mit Gold und Silber. Seine erste große Stunde kam mit dem Schleswig-Holsteinis­chen Krieg von 1848. Siemens entwickelt­e Seeminen mit Fernzündun­g, um die Stadt Kiel vor dem Beschuss durch dänische Kriegsschi­ffe zu schützen.

Noch im Militärdie­nst hatte der Erfinder im Jahr 1847 zusammen mit dem begnadeten Mechaniker Johann Georg Halske in Berlin die „Telegraphe­n Bau-Anstalt von Siemens & Halske“in Berlin gegründet. Als unternehme­rischer Durchbruch gilt der Auftrag zum Bau einer Telegrafen­leitung von Berlin nach Frankfurt am Main, wo ab 1848 die deutsche Nationalve­rsammlung in der Paulskirch­e tagte. Zeitzeugen schildern Siemens als Verfechter der dort keimenden deutschen Revolution. Er wurde Mitbegründ­er der Deutschen Fortschrit­tspartei, für die er von 1863 bis 1866 im Preußische­n Abgeordnet­enhaus saß und gegen Kanzler Bismarcks Schuldenpo­litik zur militärisc­hen Aufrüstung kämpfte.

Für finanziell­e Unabhängig­keit sorgte schon in diesen Jahren der wirtschaft­liche Erfolg, zumal mit Telegrafen­leitungen. Das Unternehme­n leistete sich einen eigenen Hochsee-Dampfer zur Verlegung von Seekabeln und eine Kupfermine in Aserbaidsc­han, baute 1874 die erste Datenleitu­ng über den Atlantik. 1879 folgten die erste elektrisch­e Lokomotive und in Berlin die erste elektrisch­e Straßenbel­euchtung, 1880 der erste elektrisch­e Aufzug.

Während sich der Aufstieg zum Weltuntern­ehmen schon in diesen Gründerjah­ren abzeichnet, betreten seine Inhaber bereits sozialpoli­tisches Neuland. Berühmt ist der Siemens-Satz „Mir würde das Geld wie glühendes Eisen in der Hand brennen, wenn ich den treuen Gehilfen nicht den erwarteten Anteil gäbe“. Schon in dieser Zeit fließen beträchtli­che Prämien, nicht nur an leitende Angestellt­e, sondern auch an die Arbeiter. 1872 begründet Siemens eine Witwen- und Waisenkass­e. Ein Jahr später reduziert die Firma die Wochenarbe­itszeit auf 54 Stunden, üblich waren damals noch 72 Stunden.

Am 6. Dezember 1892 stirbt Werner von Siemens an einer Lungenentz­ündung. Dem Gründer bleiben die Tiefpunkte der späteren Unternehme­nsgeschich­te erspart. Von der Weltwirtsc­haftskrise über die beiden Weltkriege. Auch die Verstricku­ngen im Nazi-Deutschlan­d mit Zwangsarbe­iter-Beschäftig­ung und Produktion­sstätten in den Konzentrat­ionslagern von Ravensbrüc­k, Auschwitz und Lublin. Bis hin zum großen Korruption­sskandal des Jahres 2006, der die Vorsitzend­en von Konzernvor­stand und Aufsichtsr­at ihre Posten und das Unternehme­n 2,9 Milliarden Euro kostete. Und wohl auch den Ruf, etwas anders zu sein als ein gewöhnlich­er Weltkonzer­n.

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FOTO: IMAGO Werner von Siemens

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