Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Lehre aus Köln
Auch im Südwesten werden in der Silvesternacht mehr Polizisten für Sicherheit sorgen
RAVENSBURG - „Kommt gut ins neue Jahr! Fröhlich und sicher Silvester feiern in Köln“steht auf einem neuen Plakat, auch ein Herz mit den Umrissen des Doms ist zu sehen. Gäbe es nicht die Vorgeschichte, könnte man es für die Einladung zu einer x-beliebigen Party halten. Doch die Worte „Köln“und „Silvester“bereiten seit fast einem Jahr auch vielen Bürgern in Baden-Württemberg Unbehagen. Zusammen stehen sie für Deutschlands Probleme in der Flüchtlingspolitik, für Versagen des Staats und für traumatische Erinnerungen Hunderter Frauen, die Opfer von Sexattacken wurden.
Der Stadt hängen die furchtbaren Ereignisse nach, die es im vergangenen Jahr am Hauptbahnhof und im Schatten des Doms gegeben hat. Entfesselte Männergruppen schossen wie wild Feuerwerk umher und begrapschten massenhaft Frauen. Weil viele Flüchtlinge unter den Tätern waren, geriet das gesellschaftliche Klima ins Rutschen. Köln galt als das Ende der „Willkommenskultur“. Eine Wiederholung will die Metropole um jeden Preis verhindern. Der Preis dafür ist eine Silvesterfeier als Hochsicherheitsereignis.
Sperren, Leuchten, Kameras Ein Blick in den Maßnahmenkatalog verrät, dass es eine sehr spezielle Silvesterparty wird. Es wird mehr Videoüberwachung geben, unter anderem von Beleuchtungsmasten am Bahnhofsvorplatz. Die Hohenzollernbrücke wird für Fußgänger gesperrt, auch Verkehrssperren wird es geben. Zentrale Orte sollen mit Zusatzbeleuchtung aus der Dunkelheit geholt werden. Auf den Straßen werden neben den 2400 Polizisten und Ordnungskräften auch etwa 20 Streetworker unterwegs sein.
Die Lehren aus der Kölner Silvesternacht machen sich auch in BadenWürttemberg bemerkbar. Wie in vielen anderen deutschen Großstädten, kam es auch in der Landeshauptstadt Stuttgart zu zahlreichen Anzeigen wegen Raub- und Diebstahlsdelikten und Gruppenübergriffen auf Frauen. Laut Renato Gigliotti, Pressesprecher des Innenministeriums, gab es 27 Sexualdelikte, darunter Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Beleidigung auf sexueller Grundlage und elf Sexualdelikte in Kombination mit Eigentumsdelikten.
Bislang seien sechs Tatverdächtige ermittelt worden – jeweils zwei Algerier und Iraker sowie ein Afghane und ein Pakistani. Darüber hinaus seien in der Silvesternacht in Baden-Württemberg keine derartigen Delikte zur Anzeige gebracht worden.
Zurzeit sind die Polizeipräsidien im Land dabei, ihre jeweilige Lage zu beurteilen und die anstehenden Einsätze zu planen. „Bei Bedarf werden die regionalen Polizeipräsidien durch Kräfte des Polizeipräsidiums Einsatz ergänzend unterstützt“, erklärt Gigliotti. Die Polizei halte außerdem stationäre und mobile Systeme zur Videoüberwachung vor. Dadurch sei gewährleistet, dass die Veranstaltungen bei Bedarf im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen videoüberwacht werden können.
Das Stuttgarter Präsidium will nach eigenen Angaben zum Jahreswechsel seine Präsenz im ganzen Stadtgebiet deutlich erhöhen, die Bundespolizei wird mit mehr Mitarbeitern und Beamten im Einsatz sein. Zudem sollen zwölf Mitarbeiter des städtischen Vollzugsdienstes die Polizeikräfte unterstützen, indem sie im Schlossgarten mit Diensthunden auf Streife gehen, teilt Stuttgarts Pressesprecher Martin Thronberens mit.
„Die Kollegen sind sensibilisiert und haben sich auf die Situation gut vorbereitet“, sagt Hans-Jürgen Kirstein, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft. Neben der Stuttgarter habe auch die Freiburger Polizei weniger Beamte als sonst freigestellt, um im Ernstfall mit genügend Personal eingreifen zu können. „Es werden in unseren Großstädten bedeutend mehr Beamte auf Streife gehen. Diese sind angehalten, besonders auf Gruppenbildung zu achten“, sagt Kirstein.
Der Stuttgarter Polizei liegen allerdings keine konkreten Erkenntnisse darüber vor, dass es zu außergewöhnlichen polizeilichen Ereignissen kommen wird. Wie sie in ihrem Sicherheitskonzept beschreibt, will sie mit ihrem erhöhten Aufgebot das subjektive Sicherheitsgefühl der Feiernden in der Innenstadt stärken und den Besuchern ermöglichen, bei Bedarf direkt und sofort vor Ort Kontakt mit der Polizei aufnehmen zu können.
Zu diesem Zweck soll „eine nicht unerhebliche Anzahl“von Einsatzkräften in Zivil unterwegs sein, um aktiv auf Gefahrensituationen aufmerksam zu machen und gegebenenfalls einzuschreiten. Am Schlossplatz wird eine Anlaufstelle eingerichtet, wo speziell geschulte Beamte die ganze Nacht für Rat oder Unterstützung bereitstehen. Zudem wird der Polizeiposten in der Klettpassage geöffnet und die Polizei in den sozialen Medien präsent und ansprechbar sein.