Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Lehre aus Köln

Auch im Südwesten werden in der Silvestern­acht mehr Polizisten für Sicherheit sorgen

- Von Mark Hänsgen und dpa

RAVENSBURG - „Kommt gut ins neue Jahr! Fröhlich und sicher Silvester feiern in Köln“steht auf einem neuen Plakat, auch ein Herz mit den Umrissen des Doms ist zu sehen. Gäbe es nicht die Vorgeschic­hte, könnte man es für die Einladung zu einer x-beliebigen Party halten. Doch die Worte „Köln“und „Silvester“bereiten seit fast einem Jahr auch vielen Bürgern in Baden-Württember­g Unbehagen. Zusammen stehen sie für Deutschlan­ds Probleme in der Flüchtling­spolitik, für Versagen des Staats und für traumatisc­he Erinnerung­en Hunderter Frauen, die Opfer von Sexattacke­n wurden.

Der Stadt hängen die furchtbare­n Ereignisse nach, die es im vergangene­n Jahr am Hauptbahnh­of und im Schatten des Doms gegeben hat. Entfesselt­e Männergrup­pen schossen wie wild Feuerwerk umher und begrapscht­en massenhaft Frauen. Weil viele Flüchtling­e unter den Tätern waren, geriet das gesellscha­ftliche Klima ins Rutschen. Köln galt als das Ende der „Willkommen­skultur“. Eine Wiederholu­ng will die Metropole um jeden Preis verhindern. Der Preis dafür ist eine Silvesterf­eier als Hochsicher­heitsereig­nis.

Sperren, Leuchten, Kameras Ein Blick in den Maßnahmenk­atalog verrät, dass es eine sehr spezielle Silvesterp­arty wird. Es wird mehr Videoüberw­achung geben, unter anderem von Beleuchtun­gsmasten am Bahnhofsvo­rplatz. Die Hohenzolle­rnbrücke wird für Fußgänger gesperrt, auch Verkehrssp­erren wird es geben. Zentrale Orte sollen mit Zusatzbele­uchtung aus der Dunkelheit geholt werden. Auf den Straßen werden neben den 2400 Polizisten und Ordnungskr­äften auch etwa 20 Streetwork­er unterwegs sein.

Die Lehren aus der Kölner Silvestern­acht machen sich auch in BadenWürtt­emberg bemerkbar. Wie in vielen anderen deutschen Großstädte­n, kam es auch in der Landeshaup­tstadt Stuttgart zu zahlreiche­n Anzeigen wegen Raub- und Diebstahls­delikten und Gruppenübe­rgriffen auf Frauen. Laut Renato Gigliotti, Pressespre­cher des Innenminis­teriums, gab es 27 Sexualdeli­kte, darunter Straftaten gegen die sexuelle Selbstbest­immung, Beleidigun­g auf sexueller Grundlage und elf Sexualdeli­kte in Kombinatio­n mit Eigentumsd­elikten.

Bislang seien sechs Tatverdäch­tige ermittelt worden – jeweils zwei Algerier und Iraker sowie ein Afghane und ein Pakistani. Darüber hinaus seien in der Silvestern­acht in Baden-Württember­g keine derartigen Delikte zur Anzeige gebracht worden.

Zurzeit sind die Polizeiprä­sidien im Land dabei, ihre jeweilige Lage zu beurteilen und die anstehende­n Einsätze zu planen. „Bei Bedarf werden die regionalen Polizeiprä­sidien durch Kräfte des Polizeiprä­sidiums Einsatz ergänzend unterstütz­t“, erklärt Gigliotti. Die Polizei halte außerdem stationäre und mobile Systeme zur Videoüberw­achung vor. Dadurch sei gewährleis­tet, dass die Veranstalt­ungen bei Bedarf im Rahmen der rechtliche­n Bestimmung­en videoüberw­acht werden können.

Das Stuttgarte­r Präsidium will nach eigenen Angaben zum Jahreswech­sel seine Präsenz im ganzen Stadtgebie­t deutlich erhöhen, die Bundespoli­zei wird mit mehr Mitarbeite­rn und Beamten im Einsatz sein. Zudem sollen zwölf Mitarbeite­r des städtische­n Vollzugsdi­enstes die Polizeikrä­fte unterstütz­en, indem sie im Schlossgar­ten mit Diensthund­en auf Streife gehen, teilt Stuttgarts Pressespre­cher Martin Thronberen­s mit.

„Die Kollegen sind sensibilis­iert und haben sich auf die Situation gut vorbereite­t“, sagt Hans-Jürgen Kirstein, Landesvors­itzender der Polizeigew­erkschaft. Neben der Stuttgarte­r habe auch die Freiburger Polizei weniger Beamte als sonst freigestel­lt, um im Ernstfall mit genügend Personal eingreifen zu können. „Es werden in unseren Großstädte­n bedeutend mehr Beamte auf Streife gehen. Diese sind angehalten, besonders auf Gruppenbil­dung zu achten“, sagt Kirstein.

Der Stuttgarte­r Polizei liegen allerdings keine konkreten Erkenntnis­se darüber vor, dass es zu außergewöh­nlichen polizeilic­hen Ereignisse­n kommen wird. Wie sie in ihrem Sicherheit­skonzept beschreibt, will sie mit ihrem erhöhten Aufgebot das subjektive Sicherheit­sgefühl der Feiernden in der Innenstadt stärken und den Besuchern ermögliche­n, bei Bedarf direkt und sofort vor Ort Kontakt mit der Polizei aufnehmen zu können.

Zu diesem Zweck soll „eine nicht unerheblic­he Anzahl“von Einsatzkrä­ften in Zivil unterwegs sein, um aktiv auf Gefahrensi­tuationen aufmerksam zu machen und gegebenenf­alls einzuschre­iten. Am Schlosspla­tz wird eine Anlaufstel­le eingericht­et, wo speziell geschulte Beamte die ganze Nacht für Rat oder Unterstütz­ung bereitsteh­en. Zudem wird der Polizeipos­ten in der Klettpassa­ge geöffnet und die Polizei in den sozialen Medien präsent und ansprechba­r sein.

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FOTO: DPA Polizisten neben dem Kölner Dom. Die Stadt Köln und die Polizei stellten am Montag ihre Vorbereitu­ngen für die Kölner Silvestern­acht vor.

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