Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kirchen kritisieren Rüstungsgeschäfte
Deutlicher als je zuvor fordern sie einen Stopp problematischer Exporte
BERLIN - Lauter als gewohnt schlagen die Kirchen Alarm. So wie bisher könne es mit den deutschen Rüstungsexporten nicht weitergehen, sagte am Montag die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) mit Blick auf die drastisch gestiegenen Genehmigungswerte für Waffenlieferungen ins Ausland.
Es ist der 20. Bericht, und seit Jahren prangern die Kirchen Exporte in problematische Länder an. Jetzt fordern sie ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz. Von „exorbitant vielen Rüstungsgenehmigungen“spricht etwa Prälat Martin Dutzmann von der evangelischen Kirche. Er fragt: „Wie ist das möglich? Hat doch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine strenge, restriktive Rüstungsexportpolitik angekündigt und Schritte dahin eingeleitet.“
Tatsächlich hat der SPD-Chef schon lange restriktivere Maßnahmen versprochen, und gerade erst hat Gabriel in Köln dafür plädiert, Rüstungsexporte an Staaten außerhalb von EU und Nato und vergleichbare Länder grundsätzlich zu verbieten. Doch geschehen ist bisher nichts. „Ich glaube schon, dass Herr Gabriel das möchte, aber es gibt in seinem Haus Widerstand und auch in der Koalition“, sagt Prälat Karl Jüsten von der katholischen Kirche.
96 Prozent mehr Ausfuhren In Deutschland sind im Jahr 2015 die Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen – verglichen mit dem Vorgängerjahr – um 96 Prozent gestiegen, sie haben sich auf 12,8 Milliarden Euro annähernd verdoppelt. Der Anteil der Drittstaaten, die weder der Nato noch gleichgestellten Staaten angehören, liegt für die Einzelausfuhrgenehmigungen bei 59 Prozent. Das ist auch im ersten Halbjahr 2016 nicht anders.
Die Drittstaaten sind aus Sicht der Kirchen besonders problematisch. Der kleine Golfstaat Katar etwa unterstütze weltweit Islamisten und sei Empfängerland Nummer eins, so Jüsten. Für Saudi-Arabien wurden im letzten Jahr und im ersten Halbjahr 2016 Rüstungsexportgenehmigungen in Höhe von 750 Millionen Euro erteilt. Saudi-Arabien und Katar sind jedoch aktive Parteien im bewaffneten Konflikt gegen die schiitischen Huthi-Milizen im Jemen. Gemäß den Richtlinien der Bundesrepublik aber sollen Exporte in Konfliktregionen nur in begründeten Einzelfällen erlaubt sein. „Bei 58 bis 59 Prozent kann von begründeten Einzelfällen kaum die Rede sein“, kritisiert Jüsten.
Deshalb fordere man ein neues Rüstungsexportgesetz, das gemeinsame inhaltliche Standpunkte der EU in deutsches Recht übernimmt und die Grundsätze rechtsverbindlich macht.
Auch die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Agnieszka Brugger, sagt: „SchwarzRot genehmigt entgegen eigenen strengen Exportrichtregeln weiter Lieferungen in Krisenregionen. Diese Bundesregierung hat keinen politischen Willen gezeigt, Deals wie den unverantwortlichen Export von Kampfpanzern an Katar aufzuhalten, obwohl es möglich gewesen wäre.“Brugger begrüßt, dass die GKKE wie die Grünen ein stärkeres Rüstungskontrollgesetz und ein Verbandsklagerecht gegen erfolgte Ausfuhrgenehmigungen unterstützt. Die Gemeinsame Konferenz verspricht sich davon, dass ein Verbandsklagerecht wie im Naturschutz zu einer genaueren Beachtung des Rechts führt.
Mehr Waffen an die Türkei Schwierig sind auch die Waffengeschäfte mit der Türkei. Sie ist NatoPartner und trotzdem ist der GKKE nicht wohl bei dem Gedanken, dass seit dem Putsch im Sommer die Türkei von Platz 25 auf Platz acht der deutschen Rüstungsexporte vorgerückt ist. Dass seitdem für 76,4 Millionen Euro Flugzeuge und Drohnen dorthin geliefert wurden, sieht die Konferenz kritisch.
Das gilt auch für den sogenannten Ertüchtigungsgedanken. Es sei im Prinzip nicht falsch, wenn wie in Mali mit deutscher Unterstützung die landesinternen Kräfte gestärkt werden. Aber die GKKE weist auf die Gefahren hin, dass diese Waffen später leicht in die falschen Hände geraten könnten. Auch die Absicht, rüstungstechnologische Schlüsselindustrien durch Exporthilfen im Land zu halten, laufe einer restriktiven Exportpolitik zuwider.
Stattdessen solle mehr Transparenz geschaffen werden, um die Begründungspflicht hin zu den Befürwortern von Rüstungsexporten zu verlagern, heißt es bei der GKKE. Hoffnung auf einen schnellen Erfolg hat sie nicht. Im Gegenteil: Zurzeit ist sie verärgert, dass es entgegen Gabriels Ankündigung noch nicht einmal zu einer Gesetzesinitiative kommen soll. Man beteilige sich zwar konstruktiv, sei aber „enttäuscht über den fehlenden politischen Willen und den fehlenden Mut, klare und wirksame gesetzliche Grundlagen zumindest vorzubereiten“.