Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mehr Datenklau an Geldautoma­ten

Dank Milliarden­investitio­nen in Sicherheit sinken jedoch die Schäden für Bankkunden

- Von Jörn Bender

FRANKFURT (dpa) - Mitte Oktober schlagen die Ermittler am Frankfurte­r Flughafen zu: Die Bundespoli­zei nimmt zwei Asiaten fest, die gerade aus der Karibik eingefloge­n sind. In deren Gepäck: eine profession­elle Ausrüstung zum Ausspähen von Kreditkart­endaten, elf manipulier­te Kreditkart­en und etwa 100 Kreditkart­enrohlinge.

Daten deutscher Bankkunden stehen bei Kriminelle­n hoch im Kurs. „Inhaber von Zahlungska­rten deutscher Emittenten verfügen im internatio­nalen Vergleich über eine hohe Bonität. Daher sind deren Karten beziehungs­weise Kartendate­n bevorzugte­s Ziel von Straftäter­gruppierun­gen“, stellt das Bundeskrim­inalamt (BKA) in seinem jüngsten Bericht zum Thema Skimming fest.

Das erklärt nach Einschätzu­ng von Branchenke­nnern, warum Datendiebe wieder häufiger an Geldautoma­ten in Deutschlan­d zuschlagen – obwohl es für sie immer schwierige­r wird, ausgespäht­e Kartendate­n und Geheimnumm­ern (PIN) von Bankkunden zu Geld zu machen. Nach aktuellen Zahlen von Euro Kartensyst­eme manipulier­ten Kriminelle bis einschließ­lich November dieses Jahres bundesweit 153 Geldautoma­ten. Im Gesamtjahr 2015 wurden 118 Fälle registrier­t.

Gleichzeit­ig sinkt der Bruttoscha­den durch solche Skimming-Angriffe stetig: Ende November 2016 lag er auf dem Rekordtief von rund 1,6 Milner lionen Euro. Im Dezember gibt es erfahrungs­gemäß kaum noch Veränderun­gen. 2015 waren es 2,7 Millionen Euro, 2013 gar 11,3 Millionen Euro.

„Wir nehmen an, dass die Attacken zunehmen, weil es nicht mehr so einfach ist, an verwertbar­e Kartendate­n zu kommen“, erklärt Margit Schneider von Euro Kartensyst­eme. Die Einrichtun­g kümmert sich im Auftrag der deutschen Kreditwirt­schaft um das Sicherheit­smanagemen­t für Zahlungska­rten. An Fahrkarten­automaten oder Türöffnern von Banken versuchten sich Datendiebe in Deutschlan­d zuletzt nicht mehr.

Neue Technik schwer zu knacken Vor allem die Einführung der EMVTechnik hat nach Einschätzu­ng der Branche Kriminelle­n das Handwerk erschwert. EMV-Karten sind mit ei- Art Mini-Computer ausgestatt­et: Der Datensatz wird verschlüss­elt, die Karte bei Gebrauch auf Echtheit geprüft – und zwar bei jedem Einsatz sowohl am Geldautoma­ten als auch an der Ladenkasse. In Deutschlan­d sind seit Ende 2010 alle inzwischen gut 100 Millionen Girocards mit EMV-Chip ausgestatt­et, ebenso sämtliche knapp 60 000 Geldautoma­ten und 720 000 Terminals im Handel.

Weil sich die EMV-Technik weltweit zunehmend durchsetzt, müssen Kriminelle weit reisen oder gut vernetzt sein, um in Deutschlan­d gestohlene Bankdaten zum Bezahlen oder Einkaufen zu missbrauch­en. Kartendubl­etten funktionie­ren im Grunde nur noch dort, wo Bezahlkart­en nach wie vor mit leicht kopierbare­n Magnetstre­ifen ausgerüste­t werden. Bis einschließ­lich November stellte Euro Kartensyst­eme vor allem in den USA (39 Prozent Schadensan­teil) und Indonesien (27 Prozent) Umsätze mit hierzuland­e geklauten Daten fest.

Gut für die deutsche Kreditwirt­schaft: Wegen internatio­naler Abkommen müssen die Länder mit den niedrigste­n Sicherheit­sstandards für Schäden aus betrügeris­chen Geschäften mit geklauten Kartendate­n aufkommen. Daher bleibt nach Branchensc­hätzungen von dem aktuellen Schaden durch Skimming an Geldautoma­ten in Deutschlan­d höchstens eine Million Euro an heimischen Banken und Sparkassen hängen.

Gut für Skimming-Opfer: In der Regel ersetzen Banken und Sparkassen den Schaden in voller Höhe – vorausgese­tzt Bankkunden sind sorgfältig mit Bezahlkart­e und PIN umgegangen. Das gilt auch, wenn die Originalka­rte gestohlen wird und Kriminelle dann damit Geld abheben oder einkaufen, wie Sicherheit­sexpertin Schneider erläutert. Mit 14,2 Millionen Euro Schaden (Stand Ende November 2016) schlägt der Diebstahl von Zahlungska­rten weitaus kräftiger zu Buche als Skimming – ein Trend, den Schneider seit Jahren beobachtet.

Viele Verbrauche­r machten es Taschendie­ben zu leicht, sagt die Expertin: Weil sie die Geheimnumm­er zusammen mit der Bankkarte im Geldbeutel bei sich tragen. Die Branche habe Milliarden in höhere Sicherheit beim Plastikgel­d investiert, resümiert Schneider: „Es liegt jetzt an der Achtsamkei­t des einzelnen Bürgers.“

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FOTO: DPA Dank neuer Sicherheit­stechniken ist es in Deutschlan­d schwierige­r geworden, Bankkunden um ihr Erspartes zu bringen.

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