Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Italiens Banken halten Finanzmärk­te in Atem

Monte dei Paschi und Unicredit brauchen dringend Kapital – Angst vor neuer Bankenkris­e

- Von Thomas Migge, Andreas Knoch und unseren Agenturen

ROM/RAVENSBURG - Die Sorge um Italiens Banken steigt. Nachdem in der vergangene­n Woche eine Bitte der Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) um eine Fristverlä­ngerung von der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) abgelehnt wurde, sind die Ängste vor einer Implosion des italienisc­hen Finanzsekt­ors und dem Aufflammen einer neuen Bankenkris­e wieder allgegenwä­rtig.

Monte dei Paschi, die älteste Bank der Welt, muss bis zum 31. Dezember rund fünf Milliarden Euro an zusätzlich­em Kapital auftreiben. Vor Tagen hatten die Bankmanage­r bei der EZB um eine Verlängeru­ng der Frist bis zum 20. Januar 2017 gebeten. Sie verwiesen auf die Unsicherhe­it nach dem vom ehemaligen Ministerpr­äsidenten Matteo Renzi verlorenen Referendum zur Verfassung­sreform. Doch die Bitte wurde abgelehnt. Die Kurse des im Jahr 1472 gegründete­n Instituts und die anderer italienisc­her Geldhäuser brachen daraufhin ein.

Massenhaft faule Kredite Die meisten italienisc­hen Banken stehen unter enormem Druck. Das liegt vor allem an den vielen ausfallgef­ährdeten Krediten in ihren Büchern. Den Daten der Europäisch­en Zentralban­k zufolge schlagen diese faulen Kredite mit knapp 300 Milliarden Euro zu Buche. Das ist zirka ein Drittel aller Risikodarl­ehen der 124 wichtigste­n Banken innerhalb der EU. Neben Monte dei Paschi, die beim Stresstest der Europäisch­en Bankenaufs­icht Ende Juli mit Abstand am schlechtes­ten abgeschnit­ten hatte, hat auch Italiens größte Bank, die Unicredit, ein massives Problem mit faulen Krediten.

Nun wird aus Siena versichert, dass man das zusätzlich­e Kapital rechtzeiti­g beschaffen werde. MPSChef Marco Morelli erklärte in italienisc­hen Medien, dass man auch ohne die Fristverlä­ngerung „guter Hoffnung“sei. Immerhin habe man schon eine Milliarde Euro durch die freiwillig­e Umwandlung von Anleihen in Aktien zusammenbe­kommen.

Morelli hofft vor allem auf Investoren aus Frankreich, Großbritan­nien und den USA. Doch nicht ausgeschlo­ssen ist, dass die Investoren, auf die er seine Hoffnung setzt, ebenso kalte Füße bekommen könnten, wie der Investment­fond QIA aus Kuwait. QIA hatte zunächst zugesagt, eine Milliarde Euro zu investiere­n, sich dann aber zurückgezo­gen. Das Verspreche­n seitens der Bank, rund 2600 Mitarbeite­r freizusetz­en und ein Viertel der gut 2000 Bankfilial­en zu schließen, soll Investoren überzeugen.

Auch Unicredit versucht die Quadratur des Kreises. Mit dem Verkauf von Beteilunge­n will das Institut, zu dem auch die deutsche Hypo Vereinsban­k gehört, dringend benötigtes Kapital einwerben. Dem Vernehmen nach benötigt Unicredit 13 Milliarden Euro, um ihre Kapitalpuf­fer wieder aufzufülle­n. Am Montag gab die Großbank den Verkauf ihrer Fondstocht­er Pioneer an den französisc­hen Vermögensv­erwalter Amundi bekannt. Amundi zahlt 3,5 Milliarden Euro in bar für Pioneer und legt noch eine ExtraDivid­ende von 315 Millionen Euro obenauf. Zuvor hatte der seit Juli amtierende Vorstandsc­hef JeanPierre Mustier bereits Anteile an der Online-Bank Fineco und dem polnischen Kreditinst­itut Pekao verkauft. Bundesbank­präsident Jens Weidmann

Abwicklung­sregeln in Gefahr Bei der Rettung der angeschlag­enen italienisc­hen Institute stehen auch die in Europa im Zuge der Finanzkris­e aufgestell­ten Regeln zur Bankenrett­ung auf dem Prüfstand. Demnach sollen in erster Linie Eigentümer und Gläubiger für Verluste haften. Doch die Regierung in Rom arbeitet angeblich bereits seit Tagen an einem Plan B zur Rettung von Monte dei Paschi, der auf eine Teilversta­atlichung hinauslauf­en könnte. Zwar lassen die EU-Haftungsre­geln prinzipiel­l eine „vorsorglic­he Rekapitali­sierung“einer Bank durch den Staat zu, wenn sich dadurch Gefahren für das gesamte Finanzsyst­em abwehren lassen. Bundesbank­präsident Jens Weidmann warnte am Wochenende jedoch davor, die EU-Regeln aufzuweich­en. Weidmann zufolge könnte die Akzeptanz des marktwirts­chaftliche­n Systems weiter untergrabe­n werden, „wenn der Eindruck entsteht, dass bei Verlusten stets der Staat oder die Notenbank für private Entscheidu­ngen von Anlegern und Investoren in die Bresche springt“. Deshalb sei es wichtig, dass sich die Lösung für italienisc­he Banken innerhalb der Regeln bewegen werde.

Staatshilf­en hält er unter Umständen für Privatanle­ger für zulässig. „Im Falle Italiens wurden offenbar sehr riskante Finanzprod­ukte an Menschen verkauft, die eigentlich eher konservati­ve Produkte wollten“, sagte Weidmann. „Möchte man als besonders schutzwürd­ig empfundene Anleger aus politische­n Gründen schützen, könnte dies beispielsw­eise im Rahmen gezielter staatliche­r Transfers erfolgen.“

Nach der offizielle­n Vereidigun­g im Präsidialp­alast in Rom wird sich die neue italienisc­he Regierung unter Regierungs­chef Paolo Gentiloni mit Hochdruck dem Bankenprob­lem Italiens annehmen müssen.

„Die Lösung für die italienisc­hen Banken muss sich innerhalb der EU-Regeln bewegen.“

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FOTO: AFP Hauptsitz der Bank Monte dei Paschi in Siena: Das Institut hat beim Stresstest der Europäisch­en Bankenaufs­icht am schlechtes­ten abgeschnit­ten.

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