Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Raser wegen Mordes angeklagt

24-jähriger Motorradfa­hrer hat einen Fußgänger überfahren – Er filmte seine Fahrten

- Von Janet Binder

BREMEN (dpa) - Ein 24-Jähriger rast mit seinem 200 PS starken Motorrad ohne die erforderli­che Fahrerlaub­nis durch Bremen – mit deutlich mehr als hundert Stundenkil­ometern. Als ein 75-jähriger Fußgänger bei Rot über die Ampel geht, kann er nicht mehr rechtzeiti­g bremsen. Das Opfer wird durch die Luft geschleude­rt und stirbt noch an der Unfallstel­le. Wäre der 24-Jährige im Juni wie erlaubt mit Tempo 50 gefahren, hätte er den Unfall vermeiden können, glaubt die Staatsanwa­ltschaft.

Jetzt muss sich der Biker vor Gericht wegen Mordes verantwort­en. Vor dem Bremer Landgerich­t am Montag ist er sichtlich aufgeregt. „All das, was passiert ist, tut mir leid“, sagt der junge Mann, dem früher Tausende Youtube-Fans virtuell zujubelten. Er bereue zutiefst. „Wenn ich könnte, würde ich alles tun, es rückgängig zu machen.“

Der Motorradfa­hrer war für seine riskanten Fahrten in Biker-Kreisen bekannt. Denn er nahm sie gern mit einer kleinen Kamera auf und stellte die Videos ins Netz. Dafür hatte er einen Youtube-Kanal eingericht­et, mit dem er auch Geld verdiente. Er habe wohl mehr als 2000 Euro dafür bekommen, bestätigt einer seiner Verteidige­r am Rande des Prozesses. Diese Filme gaben für die Staatsanwa­ltschaft den Ausschlag, den 24Jährigen nicht etwa wegen fahrlässig­er Tötung anzuklagen, sondern wegen Mordes. „Der Mordvorwur­f ist völlig übertriebe­n“, sagt dagegen der Verteidige­r.

Ein Kick, der zum Tod führt Im September hatte die Staatsanwa­ltschaft Berlin einen ähnlich gelagerten Fall um ein tödliches Autorennen ebenfalls als Mord bewertet – bis dahin ein Novum in Deutschlan­d im Zusammenha­ng mit Rasern. Wie in Berlin, wo der Prozess noch läuft, geht auch die Bremer Anklage von niederen Beweggründ­en aus. Der Angeklagte habe sich mit seinen grob verkehrswi­drigen Fahrten „einen Kick“verschaffe­n wollen, sagt der Staatsanwa­lt. Den Tod von anderen habe er billigend in Kauf genommen. „Er wusste, dass er bei den Geschwindi­gkeiten nicht mehr in der Lage war, einen Zusammenst­oß zu vermeiden.“

Laut Staatsanwa­ltschaft hatte der 24-Jährige ein hohes Geltungsbe­dürfnis. Deshalb, und um an Geld zu kommen, habe er seine Videos ins Netz gestellt. Mehr als 80 000 Youtube-Abonnenten hatte der Angeklagte. In einem Video ist zu sehen, wie er fast einen Fußgänger am Straßenran­d erfasst. Kurz danach ist über sein Mikro zu hören, wie er den Mann beleidigt und ihn für den Beinaheunf­all verantwort­lich macht. Von der Unfallfahr­t im Juni gibt es nach Angaben der Verteidigu­ng wohl keine Aufnahme – das Landgerich­t hatte vor Prozessbeg­inn mitgeteilt, der Angeklagte solle auch diese Fahrten mit einer Helmkamera gefilmt haben.

Zu dem tödlichen Verkehrsun­fall kam es nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft auch deshalb, weil der Angeklagte eine andere Straftat verdecken wollte. Denn schon vorher habe es auf der Fahrt im Juni zwei brenzlige Situatione­n gegeben: Unter anderem soll der Angeklagte beim Überholen ein Auto touchiert und dabei ein Blinklicht demoliert haben. Anschließe­nd soll er Fahrerfluc­ht begangen haben.

„Junge Fahrer neigen dazu, Gefahr zu unterschät­zen“, sagt sein Anwalt. Der Angeklagte habe seine Fähigkeite­n zudem überschätz­t. Die meisten seiner Videos seien „harmlos“, viele Klicks hätten vor allem die Videos bekommen, in denen er Testfahrte­n mache oder Motorräder empfehle. Der Youtube-Kanal ist mittlerwei­le öffentlich nicht mehr zugänglich.

Bei dem Zusammenst­oß mit dem Fußgänger sei der 24-Jährige selbst schwer verletzt worden. Im Gerichtssa­al erschien er mit einer Armschling­e. Er werde den rechten Arm wohl nie wieder richtig bewegen können, sagt sein Anwalt. Auch das Motorradfa­hren sei für ihn vorbei.

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SYMBOLFOTO: DPA In Biker-Kreisen war der Angeklagte für seine riskanten Motorradfa­hrten bekannt, die er bei Youtube hochgelade­n hatte.

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