Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Buntes Sprachgemisch
In der Bücherei Weingarten wird Kindern auf Deutsch, Türkisch und Arabisch vorgelesen
WEINGARTEN - Fatma Walther und Petra Hasenfratz schauen in funkelnde Kinderaugen. Die beiden Frauen sind Lesepatinnen. Sie lesen aus zweisprachigen Bilderbüchern, ihre kleinen Zuhörer sind im Bann der Geschichten. Die Bücherei Weingarten veranstaltet derzeit ein neues Vorleseprogramm, das Flüchtlingskindern und Kindern mit Migrationshintergrund deutsche Sprache näherbringen soll. Außerdem soll das Verständnis deutschsprachiger Kinder für eine Fremdsprache gefördert werden: Türkisch und Arabisch.
Bei diesem sogenannten bilingualen Lesen wird abwechselnd in Deutsch und in einer Fremdsprache aus speziellen zweisprachigen Büchern vorgelesen, die mit vielen Bildern ausgestattet sind. Am vergangenen Donnerstag haben sich die Lehrerin Andrea Nobis und die Leiterin der Weingartener Bibliothek, Petra Hasenfratz, mit der arabischsprachigen Fatma Walther und Schülern der Schussental-Förderschule in der Bücherei getroffen, um insgesamt 13 Kindern – acht deutschen und fünf ausländischen – vorzulesen.
Von „völligem Neuland“spricht Petra Hasenfratz, die bei der ersten Vorlesestunde schon mit fünf Kindern zufrieden gewesen wäre. Es kamen mehr als doppelt so viele. Andrea Nobis hat interkulturelle Erziehungswissenschaft studiert und weiß, dass man die Kinder auf verschiedenen „Ebenen erreichen muss“: Nicht nur mit Sprache, sondern auch mit Bildern. Sie hat den Vorlesenachmittag initiiert. Für sie steht „eine runde Sache“, sprich Spaß und ein schönes Gefühl für die Kinder, im Vordergrund.
Schüler lesen Kindern vor Außerdem will sie dazu anregen, interkulturelle Angebote in der Bücherei wahrzunehmen. Nachdem eine rumänische und eine türkische Mutter kurzfristig abgesagt hatten, hat sie sich dazu entschieden, ihre Achtklässler von der Schussentalschule als Vorleser mit einzuspannen. Zwei von ihnen beherrschen die türkische Sprache und lesen den Kindern mithilfe von Bildern auf Türkisch vor.
Im Gegensatz zu Petra Hasenfratz erwartete Andrea Nobis viel Besuch. „Am liebsten 20 Kinder“, sagt sie lachend. Fatma Walther freut sich besonders auf deutschsprachige Kinder. Da diese in der Schule Deutsch lernen, findet sie es großartig, dass sie die „Möglichkeit haben, beide Sprachen parallel zu hören“.
Totale Begeisterung Die Kinder werden nach ihrer Sprache in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine deutsch-türkische und eine arabisch-deutsche. Die deutschen Kindergartenkinder hören gespannt den Schülern zu. „Die haben so gelacht“, sagt Andrea Nobis hinterher. Tatsächlich sind alle Kinder mit Begeisterung dabei. Immer wieder freuen sie sich, wenn sie ein Wort erkennen oder ein Wort besonders komisch klingt. Der Klassenlehrer der drei vorlesenden Schüler, Matthias Heer, lobt deren Engagement. Er sieht nicht nur für die Kinder eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung. Auch für die Jugendlichen sei es wichtig zu lernen, einen „außerschulischen Termin“wahrzunehmen und sich „für die Gemeinde zu engagieren“.
Genauso sei es wichtig, „die Mehrsprachigkeit wertzuschätzen“. Einer der Schüler liest auf Türkisch vor und wechselt sich regelmäßig mit einer deutschen Klassenkameradin ab. Der dritte Schüler hält immer das passende Bild zu der vorgelesenen Geschichte vor sich.
Nachdem beide Gruppen mit der Vorlesung fertig sind, setzen sich alle Kinder zusammen. Andrea Nobis hat große Plakate angefertigt und erzählt auf Deutsch die passende Geschichte. Fatma Walther erzählt das gleiche noch mal auf Arabisch. Zwischendurch gibt die Lehrerin diverse Utensilien in die Kinderhände. Beispiele sind Papierblumen und einfache Klanginstrumente. Sie hat sich sogar einen Mantel umgehängt, der der Geschichte ein besonderes Flair verleiht. Begeistert hören den Frauen 26 Kinderohren zu, wie sie mit einfühlsamen Frauenstimmen eine winterliche Geschichte erzählen. „Das war so nett“, bemerkt Andrea Nobis und fällt danach Petra Hasenfratz in die Arme. Die intensive Vorbereitung habe sich gelohnt, sagt sie im Gespräch nach dem Vorlesetheater. „Mit den Bildern waren die Kinder auch beschäftigt“, fasst sie zufrieden zusammen. Die Leiterin der Bibliothek ist „mehr als zufrieden“und sie ist begeistert von dem „bunten Sprachgemisch“.