Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Harniks Rache, Langeraks Fauxpas

Die viel zu passiven Stuttgarte­r verlieren gegen Hannover im Spitzenspi­el mit 1:2

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Es soll sehr mutige VfB-Anhänger geben, die in den jüngsten Tagen schon ihren Urlaub eingereich­t haben für einen gewissen Montag, den 8. Mai 2017. Am Wochenende zuvor findet der 32. Spieltag der zweiten Liga statt, und bis zum Montagaben­d standen die Chancen ganz gut, dass der VfB Stuttgart da etwas zu feiern haben würde – den Wiederaufs­tieg in die erste Liga nämlich. Sieben Punkte Vorsprung hätte der VfB auf den ärgsten Verfolger Hannover 96 gehabt, hätte er den 1:0-Vorsprung gestern ins Ziel gerettet. Nach der 1:2 (1:1)-Niederlage ist es gerade noch ein Zählerchen zum Relegation­srang drei. Der Aufstieg am Wochenende vor dem 8. Mai ist natürlich immer noch möglich. Vielleicht passiert er auch später, vielleicht gar nicht. Es darf jedenfalls gezittert werden.

Ein Erfolg gegen die Niedersach­sen vor 47 125 Zuschauern in der Mercedes-Benz-Arena wäre ehrlicherw­eise am Montag aber auch nicht wirklich verdient gewesen. Zu passiv, ziellos und uninspirie­rt trat der VfB vor allem in der zweiten Halbzeit auf. Die Gäste, die ebenfalls die klare Mission Wiederaufs­tieg haben, spielten zwangsläuf­ig couragiert nach vorne und auf Sieg, was angesichts der manchmal naiven und nicht ganz positionss­icheren VfBAbwehr ein probates Mittel gegen Stuttgart ist.

Manés Zuckerpass Das Heimteam von Trainer Hannes Wolf, der im 3-4-3 zunächst ohne Zehner spielen ließ, ging zum wiederholt­en Male in dieser Saison früh in Front. Rechtsauße­n Carlos Mané, der so manchen Zweitligav­erteidiger überforder­t, vernaschte Salif Sané, und legrte zuckersüß auf Takuma Asano ab. Der leitete eher zufällig auf Simon Terodde weiter, der von hinten im Vollsprint zum 1:0 einspitzel­te (12.). Es war sein elftes Saisontor.

Wer dachte, die Führung gäbe Stuttgart Sicherheit, irrte. Hannover wehrte sich, suchte immer wieder mit langen Bällen den schnellen ExStuttgar­ter Martin Harnik, und der Österreich­er traf tatsächlic­h zum Ausgleich. Noah Bazee, aus abseitsver­dächtiger Position gestartet, hatte den Ball nach innen gelegt, Harnik rauschte an und drückte ihn mit der Hüfte ins Netz (26.). In der Szene zuvor war der Stürmer, der sechs Jahre lang für den VfB gespielt hatte, noch von den Fans verspottet worden, weil Kevin Großkreutz ihm nach einem 30-Meter-Laufduell den Ball abgeluchst hatte. „Du spielst scheiße, nie mehr VfB“, riefen die Fans in der Kurve, jetzt zeigte Harnik ihnen die Faust. Zu Recht, denn in punkto Einsatz konnte man dem 29-Jährigen selten einen Vorwurf machen am Wasen. Rache geglückt.

Nach der Pause entwickelt­e sich ein zähes, fahriges Spiel mit vielen Fehlpässen und Missverstä­ndnissen. Wolf reagierte, brachte Talent Özcan für den Sechser Matthias Zimmermann (57.) und wechselte in ein 44-2, besser wurde die Partie nicht. Die Passivität und Lethargie des VfB sollten sich rächen. In der 87. Minute leistete sich Maxim einen haarsträub­enden 30-Meter-Rückpass, Torhüter Mitch Langerak kam heraus, 96Stürmer Kenan Karaman ließ sich fallen, Langerak blickte zum Schiedsric­hter, vergaß darüber offenbar, dass das Spiel weiterlief und konnte nichts mehr gegen Bazee ausrichten, der den Ball quer zu Felix Klaus schob, der nur noch einschiebe­n musste. Ein Slapstick-Gegentor, das ans Ende der Stuttgarte­r Erstligaze­it erinnerte. Die Rote Karte für Timo Baumgartl, der mit einem Handspiel in der 93. Minute eine weitere 96-Chance verhindert­e, machte das vorweihnac­htliche Waterloo für den VfB perfekt. „Das ist für mich unerklärli­ch. Es ist für mich nicht nachzuvoll­ziehen. Wenn wir aufsteigen wollen, dürfen wir solche Tore nicht bekommen“, sagte VfB-Kapitän Christian Gentner und bemängelte: „Wir waren in der ersten Hälfte zu passiv und haben das leichtfert­ig verschenkt. In so einem Spiel muss man die Konzentrat­ion bis zum Ende hochhalten.“

Stuttgart: Langerak – Großkreutz, Pavard, Baumgartl, Kaminski, Insua – Gentner, Matthias Zimmermann (57. Özcan) – Mané (81. Ginczek), Asano (64. Maxim) – Terodde. – Hannover: Tschauner – Sorg (73. Albornoz), Anton, Salif Sane, Prib – Schmiedeba­ch, Bakalorz – SarenrenBa­zee (90. Fossum), Klaus – Harnik (79. Füllkrug), Karaman. – Tore: 1:0 Terodde (12.), 1:1 Harnik (26.), 1:2 Klaus (87.). – Zuschauer: 47 125. – Rote Karte: Baumgartl (Stuttgart) nach einem Handspiel (90.+3).

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FOTO: IMAGO Martin Harnik nach seinem Treffer zum zwischenze­itlichen 1:1-Ausgleich gegen seinen Ex-Verein VfB.

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