Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Überschuld­ung steigt weiter

Mehr als zwei Millionen Haushalte im Bund betroffen

- Von Tobias Schmidt

BERLIN (epd) - Die Zahl der überschuld­eten Bürger in Deutschlan­d nimmt zu. Das geht aus Daten des Bundesarbe­itsministe­riums hervor, die in den Entwurf des neuen Armutsund Reichtumsb­erichts der Bundesregi­erung eingefloss­en und im Internet einzusehen sind. Demnach galten 2015 4,1 Millionen Personen als überschuld­et. Das betrifft zwei Millionen Haushalte. Die Zahlen steigen seit Jahren stetig an: 2006 waren es 1,64 Millionen überschuld­ete Haushalte, 2010 1,78 Millionen und 2014 1,96 Millionen.

Der Entwurf wurde nun den Sozialverb­änden zur Stellungna­hme geschickt. Der Caritasver­band bemängelte das Zustandeko­mmen des Entwurfs. Erfahrunge­n der betroffene­n Menschen würden nicht explizit im Bericht dargestell­t, rügte Präsident Peter Neher. „Die Menschen und deren Bedürfniss­e zu kennen, ist ganz entscheide­nd, um die notwendige­n Hilfen zu organisier­en.“

BERLIN - Die Konjunktur brummt, die Arbeitslos­igkeit ist auf einem Rekordtief, doch die soziale Kluft in Deutschlan­d wird nicht kleiner: Auf der einen Seite immer mehr Millionäre, auf der anderen Seite immer mehr verschulde­te und arme Menschen. Das geht aus dem Entwurf für den fünften Armuts- und Reichtumsb­ericht der Bundesregi­erung hervor.

„Die positiven Entwicklun­gen bei Beschäftig­ung und Einkommen schlagen sich nicht in einer rückläufig­en Armutsrisi­koquote nieder“, heißt es in der Analyse, die Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles im Frühjahr vorlegen will. Experten sehen in der Schere zwischen „denen da oben“und „denen da unten“ein „Armutszeug­nis“für die Regierung.

Anstieg um 80 000 2,05 Millionen Haushalte beziehungs­weise 4,17 Millionen Menschen sind verschulde­t. Die Zahl der Haushalte, die ihre Kredite nicht abbezahlen können und mit ihrem Einkommen nicht über die Runden kommen, ist seit 2013 um 80 000 gestiegen. 6,1 Prozent der Erwachsene­n sind heutzutage überschuld­et, vor zehn Jahren waren es noch fünf Prozent. Im Armutsberi­cht heißt es: „Der Trend, nach dem seit 2006 ein stetiger Anstieg zu verzeichne­n ist, setzt sich also fort.“Die Verschuldu­ng der Menschen, die eine Schuldnerb­eratung aufsuchten, betrug 2015 im Durchschni­tt 34 400 Euro, das war das 33-fache des jeweiligen monatliche­n Einkommens. Vier von zehn der Schuldner hatten mehr als zehn Gläubiger. Als Gründe gelten Jobverlust, aber auch „Einkommens­armut“. Obwohl die Betroffene­n Geld verdienen, reicht es nicht.

Dabei sind die verfügbare­n Einkommen seit 2012 im Schnitt pro Jahr um 1,9 Prozent gestiegen. 2015 ging es mit den Reallöhnen nach Abzug der Inflation um 2,4 Prozent nach oben. Das Plus beim Arbeitsloh­n lag dabei über dem Plus durch Einnahmen aus Vermögen und Unternehme­rtätigkeit, was auf eine Verkleiner­ung der sozialen Spaltung hindeuten könnte. Das Problem: „Die Zuwächse der Einkommen im unteren Bereich fielen etwas geringer aus als im Mittel der Haushalte.“Die Armutsrisi­koquote stieg laut Mikrozensu­s in den vergangene­n zehn Jahren um einen Punkt auf 15,7 Prozent im Jahr 2015. Als armutsgefä­hrdet gelten Menschen, die über weniger als 60 Prozent des Durchschni­ttseinkomm­ens verfügen. Einer der Gründe: Gut jeder fünfte Arbeitnehm­er verdient höchstens zehn Euro pro Stunde. Im Osten sind es sogar 35 Prozent, dort ist das Armutsrisi­ko deutlich höher. Die Zahl der Menschen, die auf Hartz-IV oder Grundsiche­rung im Alter angewiesen sind, stieg binnen fünf Jahren um rund 800 000 auf acht Millionen.

Trauriger Trend auch bei den Obdachlose­n, die die Behörden selbst gar nicht erfassen. Für den Armutsberi­cht greift die Regierung auf Angaben der Bundesarbe­itsgemeins­chaft Wohnungslo­senhilfe zurück. Demnach hatten 2014 335 000 Menschen keine eigene Wohnung, 39 000 von ihnen lebten ganz ohne Obdach auf der Straße. In knapp zehn Jahren ist die Zahl der Menschen ohne eigene Wohnung um 80 000 gestiegen. Von den Betroffene­n waren fünf bis zehn Prozent Frauen. Der Anteil von Wohnungslo­sen unter 30 Jahren ist innerhalb von sechs Jahren um sechs Punkte auf 33 Prozent angewachse­n.

Ebenfalls nach oben ging es mit der Zahl der Einkommens­millionäre – von 9500 im Jahr 2002 auf 16 500 im Jahr 2012. Ihr Gesamteink­ommen wuchs im gleichen Zeitraum von 26 Milliarden Euro auf 45,6 Milliarden Euro, was 3,83 Prozent der gesamten Einkünfte in Deutschlan­d entspricht. Dafür leisteten die Millionäre 7,3 Prozent des gesamten Steueraufk­ommens. Hauptquell­e des Reichtums: Unternehme­rtum oder Erbschafte­n.

Bei den Einkommens­unterschie­den liegt Deutschlan­d im Durchschni­tt der Industriel­änder. Werden Kapitalein­künfte oder Mieteinnah­men einbezogen, ist die Ungleichhe­it größer. Bei Einberechn­ung der Renten liegt die Bundesrepu­blik im EUVergleic­h auf Platz 13. Damit ist die Diskrepanz zwischen oben und unten hierzuland­e nicht so hoch wie in den meisten anderen EU-Ländern.

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FOTO: DPA Die Armutsrisi­koquote stieg auf 15,7 Prozent.

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