Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Italiens neue Regierung ist gar nicht so neu

- Von Thomas Migge, Rom

Italiens neuer Regierungs­chef Paolo Gentiloni war Außenminis­ter von Matteo Renzi. Er war einer von dessen engsten Vertrauten und teilt dessen politische Linie. So verwundert es nicht, dass Gentiloni am Montagaben­d eine Ministerri­ege präsentier­te, die sich nur minimal von der zurückgetr­etenen Vorgängerr­egierung unterschei­det. Die Tageszeitu­ng „la Repubblica“spricht von einer „Fotokopie-Regierung“.

Gentilonis freigeword­enen Außenminis­terposten übernahm der ehemalige Innenminis­ter Angelino Alfano. Der Chef der Mitte-RechtsPart­ei Nuovo Centrodest­ra hat zwar keine außenpolit­ischen Erfahrunge­n, ist aber der verlässlic­he Juniorpart­ner der Sozialdemo­kraten von Gentiloni. Seine Nominierun­g zum Außenminis­ter wird als interne Würdigung seitens der Sozialdemo­kraten interpreti­ert.

Das gerade für ein finanzpoli­tisch schwer angeschlag­enes Land wie Italien so wichtige Amt des Wirtschaft­sund Finanzmini­sters bleibt auch weiterhin in den Händen von Pier Carlo Padoan. Er genießt internatio­nales Ansehen und ist somit unerlässli­ch, um eventuelle Nervosität­en auf den Finanzmärk­ten angesichts der politische­n Situation in Italien zu zerstreuen.

Staatsvers­chuldung bekämpfen Regierungs­chef Gentiloni erklärte am Dienstag vor dem Abgeordnet­enhaus, dass er „mit größter Entschloss­enheit die wichtigste­n internatio­nalen, wirtschaft­lichen und sozialen Herausford­erungen Italiens angehen“werde. Damit sind zunächst einmal alle für Dezember und 2017 anstehende­n internatio­nalen Verpflicht­ungen gemeint. Aber auch die Bekämpfung der Staatsvers­chuldung, die Rettung jener Banken, die unter faulen Krediten zusammenzu­brechen drohen, und der Wiederaufb­au der Ortschafte­n in den mittelital­ienischen Erdbebenge­bieten.

Fraglich ist nur, wie lange Gentiloni regieren wird. Dass er der seit Berlusconi­s erzwungene­m Rücktritt Ende 2011 vierten, nicht vom Volk, sondern vom Staatspräs­identen ernannten Regierung vorsteht, sorgt unter immer mehr Italienern für Missmut. Deshalb fordern nicht nur Wähler der 5-Sterne-Bewegung M5S des Ex-Komikers Beppe Grillo und der ausländerf­eindlichen Lega Nord sofortige Neuwahlen, sondern Umfragen zufolge ganz generell immer mehr Italiener.

Doch sofortige Neuwahlen sind nicht möglich und seitens des Staatspräs­identen nicht gewollt. Beide Kammern des Parlaments haben unterschie­dliche Wahlgesetz­e. Am 24. Januar wird das Verfassung­sgericht dazu eine Entscheidu­ng treffen. Dann muss ein neues gemeinsame­s Wahlrecht verabschie­det werden. Das dauert – deshalb hofft Staatspräs­ident Sergio Mattarella, dass Gentiloni bis Ende der Legislatur­periode Anfang 2018 durchregie­ren kann. M5S und Lega Nord wollen das nicht und drohen damit, die parlamenta­rische Arbeit zu blockieren.

Regierungs­chef Gentiloni verfügt über Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments. Er könnte also bis 2018 durchregie­ren. Er werde „solange regieren, solange ich Mehrheiten in den Kammern habe“, sagte Gentiloni. Vorgezogen­e Neuwahlen sind deshalb für ihn „kein Thema“.

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