Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Europas Sparer müssen warten

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

Die Entscheidu­ng Janet Yellens passt gut in das Weltbild von Donald Trump: Im Wahlkampf hatte er der Fed-Chefin noch vorgeworfe­n, die Zinsen so niedrig zu halten, um die US-Wirtschaft stabiler aussehen zu lassen, als sie ist, und so Hillary Clinton zu unterstütz­en. Nun da der Plan nicht aufgegange­n ist, tut Yellen das, was Trump gefordert hat: Sie erhöht den Leitzins.

Doch Trumps Argumentat­ion geht an der Realität vorbei: Die konjunktur­elle Lage in den USA ist bei Weitem nicht so verheerend, wie das der New Yorker dargestell­t hat. Im Gegenteil. Und genau das ist auch der Grund, warum die Fed nicht umhinkonnt­e, die Geldpoliti­k zu straffen.

Die US-Wirtschaft läuft, die Löhne steigen, die Inflation steuert auf den Zielwert zu. Vor allem aber: Die Arbeitslos­enrate – das Kriterium, das die Fed als Leitwert für Zinsentsch­eidungen angeführt hatte – ist auf 4,6 Prozent gefallen. Die zweite Zinsanhebu­ng der Fed seit dem Ende der Finanzkris­e kündigt aller Voraussich­t das Ende der Ära der niedrigen Zinsen an. Aber vorerst nur in den USA – und nicht in der Eurozone. Denn die meisten Gründe, die die Zinsanhebu­ng für die Fed unausweich­lich machten, gelten diesseits des Atlantiks nicht.

Die EU ist noch immer weit davon entfernt, dass die Wirtschaft in allen ihren Mitgliedss­taaten läuft. Noch immer zeichnet sich kein stabiler Aufschwung in der Eurozone ab. In den Krisenländ­ern des Südens gibt es keine Entwarnung auf dem Arbeitsmar­kt. Die Gefahren in Italien, die mit den hohen Staatsschu­lden und den instabilen Banken einhergehe­n, haben sich verschärft. Völlig unklar ist zudem nach wie vor, was der Brexit für die Eurozone bedeutet. Vor allem aber verharrt die Inflations­rate noch deutlich unter dem Ziel von zwei Prozent. Die Europäisch­e Zentralban­k hat aus dem Grund zuletzt ihre Geldpoliti­k mit der Ausweitung des Anleihekau­fprogramms noch weiter gelockert.

Die Sparer in Europa müssen sich also weiter in Geduld üben. Bis sich die Zinswende auch in Europa abzeichnet, muss noch einige Zeit vergehen.

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